Proaktive Führung

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Proaktive Führung: Prävention statt Schadensbegrenzung

Proaktive Führung hat zum Ziel, Menschen so zu führen, dass sie eigenverantwortlich und selbstständig arbeiten können. Der Fokus liegt dabei auf einer präventiven Vorgehensweise. Unzufriedenheiten und Missstände sollen frühzeitig erkannt werden, damit sie beseitigt werden können, noch bevor Probleme entstehen.

Einen bildhaften Vergleich bietet uns ein Blick auf die traditionelle chinesische Medizin.

Was hat proaktive Führung mit chinesischer Medizin zu tun?

In der Tradition der chinesischen Medizin werden Ärzte dann bezahlt, wenn sie dafür sorgen, dass ihre Patienten nicht krank werden. Dieser Grundsatz entstand vermutlich bereits in der Zeit der Nomadenstämme. Der Medizinmann des Stammes hatte viele Privilegien. So musst er sich zum Beispiel nicht an der Nahrungsbeschaffung beteiligen. Er erhielt jedoch nur dann seinen Nahrungsanteil, wenn der gesamte Stamm gesund war. Er hatte folglich ein sehr großes Interesse daran, dafür zu sorgen, dass alle Menschen in seinem Stamm gesund blieben und dass Krankheiten erst gar nicht zum Ausbruch kamen.

Aus dem Huángdì Nèijīng Sùwèn, auch „Buch des Gelben Kaisers zur inneren Medizin“ genannt, stammt folgendes Zitat:

„Eine Krankheit zu behandeln, nachdem sie ausgebrochen ist, ist so, als würde man einen Brunnen graben, nachdem man Durst bekommen hat.“

Huangdi Neijing

Das Huángdì Nèijīng ist eines der ältesten Standardwerke der Medizin, dessen früheste Teile auf die Zeit um 200 v.Chr. zurückzuführen sind. Heute zählt es zum UNESCO Weltkulturerbe.

Krankheiten entstehen in dieser Lehre durch ein Ungleichgewicht von Yin und Yang. Durch das Herstellen des Gleichgewichtes kann ein Arzt für die Gesundheit des Patienten sorgen. Viele präventiven Maßnahmen aus der traditionellen chinesischen Medizin haben sich in der westlichen Welt etabliert. Dazu gehören Bewegungstherapien wie Qi Gong und Tai Chi, Ernährungstherapien, aber auch Yoga und Meditationen.

Ein besonderer Wert der traditionellen chinesischen Medizin besteht darin, vorbeugend vor Erkrankungen zu schützen.

Primäre, sekundäre und tertiäre Prävention

Der Gedanke der Prävention ist auch Bestandteil unseres westlichen Gesundheitssystems geworden. Viele Krankheiten entwickeln sich allmählich im Laufe des Lebens. Durch Prävention können wir vorbeugen bzw. den Verlauf günstig beeinflussen. In der Medizin gibt es drei Stufen der Prävention.  

Die primäre Prävention zielt darauf ab, die Entstehung von Krankheiten zu verhindern. Gerade „Volkskrankheiten“ (Diabetes, Rückenbeschwerden, etc.) können in vielen Fällen durch eine gesundheitsbewusste Lebensweise vermieden oder verzögert werden. Zu den Faktoren der primären Prävention zählen u.a. eine gesunde Ernährung, sportliche Aktivitäten und Methoden der Stressbewältigung, aber auch Impfungen und Gesundheitschecks.

Die sekundäre Prävention ist auf die Früherkennung von Krankheiten ausgerichtet. Erkrankungen sollen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt erkannt und therapiert werden. Wenn durch eine Vorsorgeuntersuchung eine Krankheit entdeckt wird, handelt es sich um eine sekundäre Prävention.  

Die tertiäre Prävention hat das Ziel, Krankheitsfolgen zu mildern und einen Rückfall zu vermeiden. Alle Rehabilitationsmaßnahmen sind eine klassische Form der tertiären Prävention.

Primäre, sekundäre und tertiäre Prävention in der Mitarbeiterführung

Die drei Stufen der Prävention, die sich in der Medizin etabliert haben, bieten uns ein Bild, das sich hervorragend auf die Mitarbeiterführung übertragen lässt. Viele Konflikte und Probleme in Unternehmen könnten vermieden werden, wenn mehr Präventionsmaßnahmen vorhanden wären.

Primäre Prävention durch proaktive Führung

Hier geht es darum Probleme, Fehler, Missverständnisse und Krisen in Unternehmen erst gar nicht entstehen zu lassen. Auch in Unternehmen gibt es „Volkskrankheiten“, wie z.B. Rollenkonflikte, Interessenskonflikte, Zielkonflikte, Machtkonflikte oder Beziehungskonflikte.

Auch Unzufriedenheit aufgrund von fehlenden Perspektiven, Unter- oder Überforderung zählt zu den häufigen „Krankheiten“.

Was kann man präventiv tun? Gerade bei der primären Prävention gibt es viele Möglichkeiten. Wir unterscheiden drei Bereiche:

  1. Organisatorische Präventionsmaßnahmen
  2. Stärkung der sozialen Kompetenzen
  3. Stärkung der persönlichen Kompetenzen

1.   Organisatorische Präventionsmaßnahmen

Durch klare Strukturen und Prozesse lassen sich Konflikte im Vorfeld vermeiden. Zu den Maßnahmen gehören:

Alle diese organisatorischen Maßnahmen tragen dazu bei, dass jeder seinen Platz im Unternehmen kennt, seine Entscheidungsspielräume, Befugnisse und Grenzen. Viele Missverständnisse, Doppelarbeit und Konflikte lassen sich so vermeiden.

2.   Stärkung der sozialen Kompetenzen

Zur primären Prävention gehört weiterhin der Ausbau der sozialen Kompetenzen, damit alle die Spielregeln des Miteinanders kennen und anwenden können. Dazu gehören u.a. folgende Maßnahmen:

  • Regeln für die Kommunikation und im Umgang miteinander. So hilft es, wenn jeder seine Kollegen als interne Kunden sieht und sie auch so behandelt.
  • Strukturierter Aufbau der Führungsfähigkeiten, wie das Führen von Mitarbeitergesprächen, gute Delegation, Training-on-the-Job und Coaching
  • Stärkung der Fähigkeit, Kritik konstruktiv zu äußern und anzunehmen, wertschätzend zu kommunizieren und empathisch zu denken.

Training, Mentoring und Coaching sind Maßnahmen, die helfen, die sozialen Kompetenzen auszubauen. Besonders die Vorbildfunktion der Führungskräfte ist ausschlaggebend für ein gutes und gesundes Miteinander.   

3.   Stärkung der persönlichen Kompetenzen

Maßnahmen, die die persönlichen Kompetenzen der Mitarbeitenden stärken, gehören ebenfalls zur primären Prävention. Dazu gehören Unterstützung und Training im Bereich Eigenorganisation, Resilienz, Selbstreflexion, Zielsetzung und Zielorientierung.

Sekundäre Prävention durch proaktive Führung

In der Mitarbeiterführung bedeutet sekundäre Prävention, dass Unzufriedenheit ode, Missstimmungen zu einem frühen Zeitpunkt erkannt werden. Solange die Probleme klein sind, lassen sie sich nämlich deutlich schneller und einfacher beseitigen. Ist die Lage erst einmal eskaliert, ist der Aufwand um ein Vielfaches größer.

Sekundäre Prävention im Unternehmen wird durch regelmäßige Mitarbeitergespräche geleistet. Das kostet zwar Zeit, doch diese Zeit lohnt sich, denn nur so erkennen Führungskräfte Probleme, solange so noch klein sind.

Folgende Gesprächsformen haben sich in der Praxis bewährt: 

  • Morning Mentoring: 5 Minuten täglich für Mitarbeitende in der Einarbeitungsphase, Rückkehrer und für Mitarbeitende, die ein Leistungstief haben
  • Monatliche Planungsgespräche für alle direkten Mitarbeitenden zur Besprechung von Aufgaben, Projekte, aber auch für persönlichen Themen. Dabei ist auch darauf zu achten, dass jeder dass jeder eine Aufgabe hat, die seinen Fähigkeiten entspricht.
  • Jahres- und Entwicklungsgespräche zum Ausloten von Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten
  • Basisgespräche zum frühzeitigen Aufdecken von Unzufriedenheiten
  • Regelmäßige Teammeetings für Projekte, aber auch zum Teambuilding
  • Schaffung einer gesunden Fehlerkultur

Eine proaktive Führungsmethodik bedeutet also, dass ein regelmäßiges Kommunikationssystem zwischen der Führungskraft und ihren Mitarbeitern installiert wird. Details zu den einzelnen Gesprächsformen finden Sie im weiterführenden Artikel.

Tertiäre Prävention und proaktive Führung

Bei der tertiären Prävention sind Probleme und Krisen bereits ausgebrochen. Jetzt geht es darum, Folgeschäden zu vermeiden, eine Eskalation zu stoppen bzw. dafür zu sorgen, dass ein Fehler nicht noch einmal auftaucht. Welche Maßnahmen jetzt greifen, hängt ganz vom Problem ab.

Bei Beziehungskonflikten, Interessenskonflikten und Teamkonflikten ist ein schneller Einsatz von professionellem Coaching, Konfliktmoderation und Mediation empfehlenswert. Wenn diese Ressourcen nicht intern vorhanden sind, lohnt es sich, externe Ressourcen aufzubauen, die bei Bedarf schnell zur Verfügung stehen.

Bei Rollenkonflikten ist auf der Sachebene die Überarbeitung von Funktionsbeschreibungen und Prozessen notwendig, um Klarheit herzustellen. Wichtig ist, diese mit den Betroffenen zu besprechen bzw. sie in die Erstellung einzubeziehen.

Bei Problemen, die durch individuelle Fehler verursacht wurden, ist eine gesunde Fehlerkultur das A und O.

Der Artikel „Von der Fehler- zur Lernkultur“ gibt Ihnen einen Leitfaden für den Umgang mit Fehlern.

Proaktive Führung – Ein Aufwand der sich lohnt

Viele Führungskräfte agieren in der Führung überwiegend reaktiv. Das bedeutet, dass viel Führungszeit darauf verwendet wird, Kontrolle auszuüben, Fehler zu beseitigen und „Brände“ zu löschen, die Mitarbeitende verursacht haben. Je später das Problem erkannt wird, desto größer ist meist der Schaden und desto aufwendiger dessen Behebung.  Schadensbeseitigung kostet also viel Zeit, Geld und Nerven. Diese Art der Zusammenarbeit ist für die Führungskraft wie auch für ihr Team frustrierend. Kaum ist ein Brandherd gelöscht, taucht schon wieder der nächste auf. Alle sind nur damit beschäftigt, Brände zu löschen.

Proaktive Führung setzt darauf, durch Präventionsmaßnahmen Brandherde erst gar nicht entstehen zu lassen oder sie zumindest im Frühstadium zu erkennen und leicht löschen zu können. Die Präventionsmaßnahmen, die oben genannt sind, erscheinen auf den ersten Blick aufwendig, doch der Aufwand zahlt sich aus. Insgesamt kann die Führungszeit dadurch um ein Drittel oder sogar um die Hälfte reduziert werden.

Ein weiterer Vorteil ist, dass sich sowohl die Führungskraft als auch ihre Mitarbeiter weiterentwickeln und alle wesentlich zufriedener und motivierter bei der Arbeit sind. Dies führt auch zu einer gesteigerten Leistungsfähigkeit und besseren Ergebnissen. Außerdem kann die Führungskraft durch eine proaktiven Führung die Anzahl der ungeplanten Arbeitsunterbrechungen senken und so produktiver arbeiten.

Fazit

Eine Umstellung auf eine aktive Führung ist mit einem zusätzlichen Zeitaufwand verbunden. Jedoch führt diese Führungsmethode nach der Umstellungsphase zu einer Reduktion des zeitlichen Aufwands für die Führungskraft, effizienterem Arbeiten und zu mehr Zufriedenheit für das gesamte Team. Es lohnt sich!

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Bild von Ivana Divišová auf Pixabay

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