Die Fehlerkultur eines Unternehmens bestimmt den Umgang mit Fehlern und ihren Folgen. Es geht dabei um folgende Fragen:
- Wie geht man mit Fehlern um?
- Werden Fehler offen eingestanden oder so weit wie möglich unter den Teppich gekehrt?
- Wie und wann werden Fehler sanktioniert?
- Inwieweit werden Fehler als Lernchance angesehen?
- Steht die Suche nach dem Sündenbock im Vordergrund?
- Oder gelingt es, die Analyse der Ursachen und das Finden von Vermeidungsstrategien in den Fokus zu rücken?
Was ist ein Fehler?
Wenn man über den Begriff Fehlerkultur diskutiert, ist es sinnvoll, zunächst festzulegen, was ein Fehler ist. Ein Fehler ist ein unerwünschtes Ereignis, eine Abweichung des Ist-Zustands vom Sollzustand, ein Bruch mit einer Regel oder mit einem Standard.
Der Fehler kann individuell verursacht werden, also durch einen Mitarbeitenden, oder durch ein Missverständnis zwischen Mitarbeitenden. Der Fehler kann jedoch auch im System liegen.
Vorsatz oder Nachlässigkeit?
In aller Regel machen Mitarbeitende individuelle Fehler nicht mit Absicht. Jedem ist klar, dass Fehler möglichst vermieden werden sollten.
Die meisten Fehler geschehen vielmehr durch Nachlässigkeit, fehlende Konzentration, Ablenkung, fehlendes Wissen, fehlende Erfahrung, falsche Einschätzung von Situationen oder Missverständnisse.
Fehler, die vorsätzlich begangen werden, sind selten und verlangen eine andere Vorgehensweise. Sie müssen auch entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen. In diesem Artikel konzentrieren wir uns auf Fehler, die Menschen unbeabsichtigt unterlaufen.
Fehlerkultur: Sind Fehler ein Tabu?
Zahlreiche Fehler bleiben unentdeckt. Wer gibt schon gerne zu, dass er einen Fehler gemacht hat? Das ist in Ordnung, solange ein Fehler leicht von seinem Verursacher wieder ausgebügelt werden kann.
Das Vertuschen von Fehlern ist jedoch fatal, wenn das Image des Unternehmens oder der Abteilung auf dem Spiel steht, wenn weitreichende finanzielle Konsequenzen zu erwarten sind, wenn die Gesundheit von Menschen gefährdet wird.
Grund für das Verheimlichen von Fehlern ist die Angst vor Bestrafung, Anklagen und Gesichtsverlust. Ist ein Fehler passiert, lautet häufig die erste Frage: Wer ist schuld? Schließlich ist es leicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen.
Auf der Suche nach dem Sündenbock kommt es dann schnell zu gegenseitigen Schuldzuweisungen. Gleichzeitig werden Rechtfertigungen zurechtgebastelt. Aus Angst vor der Bestrafung will niemand die Verantwortung übernehmen und die Konsequenzen tragen.
Fehlerkultur im internationalen Vergleich
Der Umgang mit Fehlern ist – wie auch die Art und Weise Kritik zu äußern – von der Kultur beeinflusst. Im deutschsprachigen Raum ist man dabei ausgesprochen intolerant in Bezug auf Fehler. Das beginnt schon im Schulsystem. Das Vermeiden von Fehlern wird daher in den Vordergrund gestellt. Wer von 100 Wörtern fünf falsch schreibt, bekommt nur die Fehler angezeigt und wird nicht dafür gelobt, die restlichen 95 Wörter richtig geschrieben zu haben.
Prof. Dr. Michael Frese von der Leuphana Universität Lüneburg, setzt sich schon seit Jahren intensiv mit der Fehlerkultur von Organisationen auseinander. Er verglich 2018 in einer Studie die Fehlertoleranz weltweit. Deutschland steht im Ländervergleich auf Platz 60 von 61. Schlechter ist nur Singapur.
Interessant sind auch die Erkenntnisse von Erin Meyer, die in ihrem Buch The Culture Map die Kommunikationskultur in verschiedenen Ländern vergleicht. In Deutschland wird demnach Kritik besonders unverblümt und direkt geäußert. Fehler gelten somit als Tabu.
Mehr als anderswo auf der Welt gelten Fehler also hierzulande als Zeichen von Schwäche und sind verpönt. Kein Wunder also, dass sie, wann immer möglich, vertuscht oder verheimlicht werden.
Konsequenzen einer negativen Fehlerkultur
Eine negative Fehlerkultur, in der Fehler hart bestraft werden, hat zur Folge, dass das gesamte Verhalten der Mitarbeitenden darauf ausgerichtet ist, Fehler unter allen Umständen zu vermeiden. Was gut gemeint ist, hat jedoch auch viele unerwünschte Folgen:
- Unterbinden von Innovation und Kreativität:
Niemand geht neue Wege, denn diese bringen schließlich Risiken mit sich. Dadurch erhalten Ideen und Neuerungen weniger Raum. - Träge Strukturen:
Um nur nicht allein die Verantwortung tragen zu müssen, sichern sich alle daher lieber doppelt und dreifach bei ihren Vorgesetzten ab. - Rückgang von Engagement und Eigeninitiative:
Wer nichts tut, macht auch keine Fehler. Also macht keiner mehr als unbedingt notwendig. „Dienst nach Vorschrift“ ist die Folge. - Fehler sind schwieriger zu beseitigen:
Entstandene Fehler werden möglichst vertuscht. Doch die meisten Fehler sind leichter und kostengünstiger zu beseitigen, solange sie noch frisch und klein sind. Die Chance einer raschen, einfachen Fehlerbehebung wird dadurch vertan. - Fehler ziehen neue Fehler nach sich:
Strafen, die auf unbeabsichtigte Fehler folgen, helfen in aller Regel nicht, neue Fehler zu vermeiden. Es passiert oft genau das Gegenteil. Durch das sinkende Selbstbewusstsein entstehen neue Fehler und die Gesamtleistungen des Einzelnen sinken. - Das Betriebsklima leidet:
Die Suche nach dem Sündenbock treibt leicht einen Keil ins Team und sorgt für schlechte Stimmung.
Eine gesunde Fehlerkultur braucht gesunde Einstellungen
In einer offenen und sanktionsfreien Fehlerkultur gelten Fehler daher als Lernschritt für alle. Die Analyse, Bewertung und Prävention von Fehlern rücken in den Mittelpunkt. Es geht dabei vor allem um die Frage, welche Erkenntnisse aus dem Fehler gezogen werden können. Daraus wächst eine Lernkultur. Gleichzeitig werden Innovationen gefördert, Neugierde und Motivation gestärkt und das Arbeitsklima verbessert.
Zum Mindset einer gesunden Fehlerkultur gehören diese Aspekte:
- Fehler sind menschlich. Die Mitarbeitenden werden motiviert, Fehler zuzugeben.
- Fehler sind Lernschritte. Alle profitieren. Probieren und Experimentieren ist ausdrücklich erwünscht.
- Kritik wird wertschätzend und konstruktiv vorgebracht.
Lassen Sie uns die drei Aspekte vertieft ansehen.
1. Fehler zugeben braucht Vertrauen
Einen Fehler zuzugeben braucht neben Charakterstärke das Vertrauen, dass mit Fehlern konstruktiv umgegangen wird. Führungskräfte sollten daher Mitarbeitende erst einmal loben, wenn sie sich mit einem Fehlereingeständnis vertrauensvoll an sie wenden. Unbeabsichtigte Fehler sollten deshalb keine Strafen nach sich ziehen. Nur vertuschte und absichtlich begangene Fehler haben Konsequenzen.
Mehr zum Thema Führung auf Vertrauensbasis lesen Sie hier.
2. Lernkultur statt Fehlerkultur
Gerade wenn man es sich nicht leisten kann, den gleichen Fehler zweimal zu machen, ist es wichtig, die Ursachen des Fehlers zu verstehen. Statt den Fehler einer Person zuzuschreiben, wird nüchtern analysiert, wie es zu dem Fehler kommen konnte. Es ist doch oft nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Kollege diesen Fehler auch begeht.
Es geht also darum, eine Schwachstelle zu identifizieren und zu beheben. So profitieren alle im Unternehmen, nicht nur derjenige, der den Fehler verursacht hat, sondern auch alle anderen, die den Fehler potenziell auch begehen könnten.
Dann löst der Fehler eines einzelnen einen Lernprozess aus, von dem alle profitieren können und wir sind auf dem Weg von einer negativ behafteten Fehlerkultur zu einer Lernkultur.
3. Wertschätzend und konstruktiv kritisieren
Wenn Menschen aus Nachlässigkeit oder Unwissenheit Fehler begehen, ist es notwendig, sie darauf hinzuweisen. Schuldzuweisungen sind jedoch fehl am Platz. Wichtig ist die Analyse der Situation. Was genau ist passiert? Wie kam es zu dieser Situation? Was genau waren die Auslöser? Wie lässt sich der Fehler künftig vermeiden?
Mehr zum Thema Lob und Kritik lesen Sie hier.
6 Erste Hilfe-Schritte bei Fehlern
Ihnen ist ein grober Schnitzer unterlaufen? Meist ärgert man sich dann am meisten über sich selbst. Schließlich ist einem der Fehler peinlich. Außerdem verspielt man vielleicht seinen guten Ruf und das Vertrauen von Kollegen und Vorgesetzten. Jetzt helfen Ihnen diese Erste-Hilfe-Schritte:
1. Ruhe bewahren
Geraten Sie nicht in Panik, sondern holen Sie erst mal tief Luft. Analysieren Sie, was genau passiert ist und welche Tragweite Ihr Fehler hat.
2. Frühzeitig reagieren
Den Kopf in den Sand zu stecken und erstmal abzuwarten, bringt nichts. Nehmen Sie Ihren Mut zusammen und gestehen sie den Fehler offen ein. So bleibt am meisten Zeit zur Fehlerbehebung.
3. Charakterstärke zeigen
Es ist ein Zeichen von Stärke, nicht von Schwäche, wenn Sie Ihren Fehler offen und ehrlich eingestehen. Entschuldigen Sie sich aufrichtig, aber verrennen Sie sich nicht in Ausreden („Ich wollte doch nur“, „Herr X hat mir nicht geholfen“, …). Zeigen Sie Verantwortungsbewusstsein und Haltung. Dies wird Ihnen auch Anerkennung und Respekt einbringen.
4. Präzise Fehleranalyse
Beschreiben Sie möglichst genau, was passiert ist? Was war der Auslöser? Welche Folgen kann der Fehler nach sich ziehen, intern und extern?
5. Zur Problemlösung beitragen
Machen Sie Vorschläge, wie man diesen Fehler ausbügeln kann. Welche Maßnahmen können eingeleitet werden? Wer muss informiert werden?
6. Fehlerprävention unterstützen
Unterbreiten Sie Vorschläge, wie dieser Fehler in Zukunft vermieden werden kann. Vielleicht gibt es Kollegen, denen dieser Fehler potenziell auch unterlaufen könnte. Braucht es zum Beispiel Änderungen in den Prozessen, um den Fehler künftig zu verhindern? Oder sind zusätzliche Kontrollmechanismen angebracht?
Seminartipp
- Sie möchten eine offene Fehlerkultur und eine positive Lernkultur in Ihrem Umfeld schaffen?
- Sie möchten Kritikgespräche konstruktiv und souverän führen?
- Ihre Führungsphilosophie basiert auf Vertrauen und Wertschätzung und diese Haltung möchten Sie auch im Führungsalltag erfolgreich umsetzen?
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Foto: Bild von andreas160578 auf Pixabay