Wenn ein Kunde eine Reklamation oder Beschwerde äußert, erscheint uns das zunächst unangenehm. Niemand ist begeistert, wenn Reklamationen ins Haus kommen. Dennoch ist eine Reklamation in erster Linie ein Grund für ein herzliches Dankeschön an den unzufriedenen Kunden. Statt einfach wortlos zur Konkurrenz zu wechseln oder sich im Internet negativ über das Unternehmen auszulassen, macht sich der Kunde die Mühe, seine Unzufriedenheit direkt und freimütig bei Ihnen anzusprechen.
Dieses offene Verhalten des Kunden bietet dem Unternehmen gleich zwei große Chancen: Zu einen erhalten Sie somit die Chance, den Fehler zu beheben, sich kulant zu zeigen und den Kunden so auf Ihre Seite zu ziehen. Oftmals wird durch eine professionelle Reklamationsbearbeitung aus einem unzufriedenen Kunden noch ein loyaler oder sogar begeisterter Kunde.
Zum anderen eröffnet das negative Feedback des Kunden dem Unternehmen die Chance, Schwachstellen zu beheben, interne Prozesse zu optimieren und die Produkte und Dienstleistungen weiter zu verbessern.
Einige Fakten zum Thema Reklamation
Eine Reklamation sollte man nie auf die leichte Schulter nehmen. Jede Beschwerde hat das Potenzial, dem Unternehmen nachhaltigen Schaden zuzufügen. Hier einige Fakten aus verschiedenen Studien:
- Eine Reklamation ist häufig nur die Spitze des Eisbergs. Die meisten unzufriedenen Kunden äußern ihren Unmut nicht direkt beim betroffenen Unternehmen. Hinter einer einzigen eingereichten Beschwerde verbergen sich daher meist eine Vielzahl von unzufriedenen Kunden. Verschiedene Quellen sprechen von fünf bis zehn Prozent der Kunden, die sich überhaupt beschweren. Eine Studie aus der Versicherungsbranche kalkuliert sogar bis zu 500 enttäuschte Kunden pro Reklamation.
- Kunden wechseln schnell zur Konkurrenz, wenn sie enttäuscht sind. Eine einzige schlechte Erfahrung führt bei ca. einem Drittel der Kunden bereits zum Bruch der Kundenbeziehung. (PwC Studie Future of Customer Service Survey).
- Enttäuschte Kunden verbreiten ihren Ärger im privaten Umfeld. So teilen unzufriedene Kunden ihre negativen Erfahrungen mit zehn bis fünfzehn Freunden und Bekannten.
- Die häufigsten Gründe für Beschwerden sind Qualitätsmängel, ein schlechtes Preis-Leistungsverhältnis, zu schwache Kompetenz des Kundendienstes und schlechte Erreichbarkeit des Kundendienstes, wie eine Studie bei Anbietern von Telefonie, Internet und Webhosting zeigt.
- Kunden erwarten menschliche Interaktion beim Umgang mit Ihren Anliegen. Laut PwC-Studie möchten 75 Prozent der Verbraucher weltweit mit einer echten Person in Kontakt sein, statt nur durch Technologien oder Plattformen betreut zu werden. In Deutschland ist dieser Anspruch mit 84 Prozent sogar noch deutlicher ausgeprägt. Ausgefeilte Technologien können also negative Kundenerlebnisse nicht lösen, sondern die menschliche Interaktion nur ergänzend unterstützen.
Jeder enttäuschte Kunde fügt dem Unternehmen also Schaden zu. Daher ist ein gutes Reklamationsmanagement für jedes Unternehmen von großer Bedeutung.
Was bedeutet Reklamationsmanagement?
Das Reklamationsmanagement umfasst alle Maßnahmen und Prozesse im Unternehmen, die im Fall von Kundenbeschwerden Anwendung finden. Ziel ist es daher, die Kundenzufriedenheit wieder herzustellen, die Kundenbindung zu stärken und den Ruf des Unternehmens zu schützen.
Weiterhin sollen so Fehlerquellen erkannt werden, um in Zukunft Reklamationen zu reduzieren. Beschwerdemanagement wird somit auch ein wichtiger Bestandteil der Lernkultur des Unternehmens.
Das Reklamationsmanagement lässt sich in 5 Schritte untergliedern. Für jeden Schritt sind standardisierte Prozesse und Leitfäden zu definieren. Checklisten, Mindmaps oder Flussdiagramme können dabei Hilfsmittel sein.
Jeder im Beschwerdemanagement beteiligte Mitarbeitende sollte dann genau wissen, welches seine Rolle ist, welche Maßnahmen zu ergreifen sind und wie die Prozesse aussehen. Nur so kann eine professionelle und reibungslose Behebung von Reklamationen funktionieren. Alle Prozesse sollten daher schriftlich dokumentiert und jederzeit griffbereit sein.
Professionelles Management von Reklamationen in 5 Schritten
1. Annahme der Reklamation
Kunden nehmen verschiedenen Kanäle in Anspruch, um sich zu beschweren: Persönlich, am Telefon, per E-Mail, im Chat oder in Social Media.
Wichtig ist es daher, alle Kanäle stets im Blick haben und rasch zu reagieren, wenn eine Reklamation eingeht. Daher ist ein strukturierter Prozess für die Erfassung der Reklamation der erste und grundlegende Schritt.
Legen Sie fest, welche Informationen aufgenommen werden müssen, um eine Beschwerde erfolgreich zu bearbeiten. Wenn Informationen fehlen, ist es wichtig, dass Mitarbeitende den direkten Kontakt zum Kunden aufnehmen, um fehlende Details zu erfragen.
Besonders im Kontakt mit verärgerten Kunden brauchen Sie Mitarbeitende, die in ihren Kommunikationsfähigkeiten gut geschult sind. An erster Stelle geht es darum, die Ruhe zu bewahren, gut zuzuhören, Verständnis zu zeigen, Sachinhalte von Emotionen zu trennen, eine Entschuldigung im Namen des Unternehmens auszusprechen und dem Kunden zuzusichern, dass eine Lösung gefunden wird.
Bei jeder eingehenden Reklamation sollte der Kunde eine Bestätigung enthalten, dass seine Beschwerde angekommen ist und dass nach einer individuellen Lösung gesucht wird. Auch ein Dankeschön dafür, dass er mit seiner Beschwerde direkt auf Sie zukommt, ist an dieser Stelle angebracht.
2. Bearbeitung und Analyse der Reklamation
Ein weiterer Prozess legt fest, wie Beschwerden bearbeitet werden. Dabei sind folgende Fragen zu definieren: Wer prüft die Reklamation? Wer stellt die Ursachen und Fehlerquellen fest?
Mitunter hat ein Kunde mit seiner Beschwerde Unrecht. Hierbei sind Schuldzuweisungen und Bloßstellungen unbedingt zu vermeiden. Aufklärung, Kommunikation und Kulanz sind die besseren Strategien, um den Kunden auf Ihre Seite zu ziehen.
Beschwert sich der Kunden zurecht, ist es wichtig, die Fehlerquellen konsequent zu erfassen. Es braucht daher Strukturen, um festzustellen, ob diese Reklamation erstmalig eingeht oder ob sie schon einmal aufgetaucht ist. Bei häufig auftretenden Reklamationsgründen werden folglich die Schwachpunkte dem Bereich Qualitätssicherung gemeldet.
Weiterhin sollten Richtlinien vorliegen, welcher Zeitraum für die Reklamationsbearbeitung angemessen ist. Falls der vorgegebene Zeitraum zur Prüfung nicht ausreicht, weil diese umfangreicher ausfällt, ist festzulegen, wer dem Kunden einen Zwischenbescheid erteilt und mit ihm in Kontakt bleibt.
3. Schadensbegrenzung und Wiedergutmachung
In diesem Schritt ist es wichtig, den Mitarbeitenden Leitfäden und Maßnahmenkataloge zur Verfügung zu stellen, die standardmäßige Möglichkeiten der Schadensbegrenzung und Wiedergutmachung auflisten. Das können Ersatzprodukte, Mangelbeseitigung, Preisnachlässe, Gutscheine oder kostenlose Zusatzleistungen sein.
So können die Mitarbeitenden eigenständig und verantwortungsbewusst im Rahmen der definierten Richtlinien entscheiden, welche Maßnahmen und Lösungen sie dem Kunden im Einzelfall anbieten können.
4. Reaktion und Festlegung des Lösungswegs
Im nächsten Schritt kann der zuständige Mitarbeitende dem Kunden angemessene Lösungswege vorgeschlagen, mit ihm erörtern und festlegen.
Es ist empfehlenswert, den Mitarbeitenden ein Budget zur Verfügung zu stellen, bis zu dem sie frei entscheiden dürfen, was sie dem Kunden als angemessene Wiedergutmachung anbieten können. Damit können sie nämlich eine schnelle Lösung anbieten und müssen nicht erst nachfragen und damit den Prozess verlängern. Dieses Budget kann auch gestaffelt sein, je nach Art der Reklamation.
Die Mitarbeitenden können dann persönlich mit den Kunden reden, um sicherzustellen, dass die Maßnahmen auch geeignet sind, um die Unzufriedenheit zu beheben. Der Kunde mit seinen individuellen Bedürfnissen steht dabei im Fokus. Je nach Kunde können dabei verschiedene Maßnahmen der Wiedergutmachung bevorzugt werden. Während der eine Kunde gerne auf sein Ersatzprodukt wartet, wird der andere Kunde einen Rabatt für den Qualitätsmangel wählen. Dann erst wird mit dem Kunden die Umsetzung der gewählten Maßnahmen festgelegt.
5. Nachbetreuung
Lassen Sie sich die Chance nicht entgehen, den Kunden nach der Fehlerbehebung noch einmal zu kontaktieren und nachzufragen, ob nun alles ok ist.
Dies ist Ihre Chance, um den Kunden durch eine professionelle und kulante Reklamationsbearbeitung zu einem begeisterten Kunden zu machen und um Empfehlungen zu erhalten.
3 Grundregeln zum Umgang mit einer Reklamation
1. Eine Reklamation ist keine Last, sondern eine Chance.
Reklamationen liefern Ansätze zur Verbesserung der eigenen Produkte, Dienstleistungen und Prozesse. Wirklich schädlich für das Geschäft sind hingegen unzufriedene Kunden, die ihre Enttäuschung nicht äußern. Die Einstellung aller Mitarbeitenden einem sich beschwerenden Kunden gegenüber sollte also sein: Danke für Ihre Reklamation!
2. Jede Reklamation verdient eine persönliche und schnelle Reaktion.
Keine unpersönliche Standardantwort und schon gar kein Anrufbeantworter. Die Beschwerde sollte persönlich entgegengenommen und individuell behandelt werden.
3. Eine Reklamation bietet die Chance, den Kunden positiv zu überraschen.
Mit einer einfühlsamen Entschuldigung, einer individuellen, schnellen und kulanten Schadensbegrenzung und einer originellen Wiedergutmachung können Sie beim Kunden punkten. Dies ist die Chance zur Stärkung der Kundenbeziehung und langfristigen Kundenbindung.
Reklamationsmanagement ist Chefsache
Der Aufbau eines wirksamen Reklamationsmanagements ist Aufgabe der Unternehmensleitung. Es beinhaltet folgende Faktoren:
1. Festlegung von Prozessen und Leitfäden für die einzelnen Schritte des Reklamationsmanagements:
- Reklamationsannahme
- Reklamationsbearbeitung und Analyse
- Schadensbegrenzung und Wiedergutmachung
- Reaktion und Festlegung des Lösungswegs
- Nachbetreuung
2. Schulung der verantwortlichen Mitarbeitenden hinsichtlich:
- Fachkenntnissen (Technik, Produktwissen, Maßnahmen)
- Fähigkeiten (Aktives Zuhören, Empathie, Umgang mit verärgerten Kunden)
- Einstellungen (Reklamationen als Chance erkennen, Verantwortungsbewusstsein stärken)
3. Eine offene Fehlerkultur und ausgeprägte Lernkultur
Oft geben Mitarbeiter Beschwerden aus Angst um ihren Job nicht weiter. Ein vertrauensvoller Umgang mit Fehlern ist gefragt. Die Mitarbeiter müssen wissen, dass ein unbeabsichtigter Fehler nicht gleich den Kopf kostet, sondern als Lernschritt wichtig ist.
Der britische Unternehmer Richard Branson hat es einmal so ausgedrückt:
„Niemand kriegt beim ersten Mal alles richtig hin. Was uns ausmacht, ist, wie wir aus unseren Fehlern lernen.“
Wie Sie Ihre Fehlerkultur in eine Lernkultur umwandeln, lesen Sie hier.
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