Brauchen wir mehr Hofnarren? Macht und Führung neu gedacht

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Brauchen wir mehr Hofnarren? – Der reflektierte Umgang mit Macht und Einfluss

Hofnarren waren in früheren Zeiten weitaus mehr Spaßmacher mit der Narrenkappe. Sie hatten wichtige Funktionen und Aufgaben, die in engem Zusammenhang mit dem Umgang mit der Macht zu sehen sind und einen gewissen Schutz vor fehlgeleiteter Macht und Machtmissbrauch boten. Ein solches Korrektiv gezielt und bewusst zu nutzen, ist auch in der heutigen Zeit ein spannender Gedanke.

Auch in der Führung spielt Macht eine Rolle. Denn Führungskräfte haben eine Machtposition, um die Ziele Ihres Unternehmens oder Teams zu erreichen. In einem vorhergehenden Blog-Artikel haben wir uns bereits mit den 7 Instrumenten der Macht intensiv auseinandergesetzt, Beispiele gesammelt und Grenzen und Chancen ausgelotet.

Zum Blog-Beitrag Macht und Führung: 7 Instrumente der Macht

Dabei wird klar, dass jeder seinen eigenen Mix an Instrumenten einsetzt, um Macht und Einfluss auszuüben. Macht ist weder gut noch schlecht. Der springende Punkt ist immer, mit welcher Absicht gehandelt wird.

Doch auch bei bester Absicht wird Macht mitunter fehlgeleitet genutzt, was zu ungewollten Konsequenzen führen kann. Von der fehlgeleiteten Macht zum Machtmissbrauch führt mitunter ein schleichender Prozess. Wer die Frühsignale zu deuten weiß, kann rechtzeitig Korrekturen einleiten. Mehr über die Frühsignale von fehlgeleiteter Macht in der Führung lesen Sie hier.

Eine moderne Führungskultur braucht eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema Macht

Um zu vermeiden, dass Macht fehlgeleitet eingesetzt wird, egal ob dies bewusst oder unbewusst geschieht, ist ein neuer Umgang mit Macht erforderlich. Dazu brauchen wir eine Bewusstwerdung und eine offene Diskussion über Macht im Unternehmen. Auch das Bewusstsein über die Gefahren des Machtmissbrauchs gehört dazu.

Die zentrale Frage ist daher: Welche Möglichkeiten gibt es, um Machtmissbrauch rechtzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu treffen?

Dabei kann uns die Auseinandersetzung mit dem Hofnarrentum interessante Denkanstöße liefern. Lassen Sie uns also zunächst einen Blick in die Vergangenheit werfen.

Hofnarren – Mehr als nur Spaßvögel

Ab dem Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert hinein war der Hofnarr in nahezu jedem europäischen Königs- und Fürstenhaus zu finden.

Viele denken beim Hofnarren zuerst an eine Witzfigur, mit bunten, mit Glöckchen versehenen Klamotten und Narrenkappe. Manche verbinden damit auch das Bild von einem „Kleinwüchsigen“ oder „Buckligen“, der den Hofstaat mit seinen Scherzen belustigt.

Doch der Hofnarr hatte noch weit wichtigere Funktionen. Seine Rolle im Hofstaat war eine besondere und einzigartige. Niemand außer dem Hofnarren besaß diese Privilegien.

Funktionen eines Hofnarren

In einer Zeit, in der ein Souverän die absolute Macht besaß, hatte der Hofnarr wertvolle Aufgaben jenseits des Spaßvogels:

  • Ungeschminkt die Wahrheit sagen
  • Unbequemes und Verpöntes aussprechen
  • Auf Missstände hinweisen
  • Die Herrschenden kritisieren
  • Provozieren und irritieren und damit zum Nachdenken anregen
  • Niemandem nach dem Mund reden

Seine Position gab dem Hofnarren die berühmte „Narrenfreiheit“. So war der Hofnarr oft ein gebildeter und intelligenter Ratgeber und durfte als einziger dem Souverän den „Spiegel“ vorhalten. Was andere den Kopf gekostet hätte, durfte er ungestraft aussprechen.

Kluge Herrscher wussten, dass ihnen eine Person im nächsten Umfeld guttat, die eine solche Narrenfreiheit besaß. Mit dem Hofnarren bezahlten und akzeptierten sie daher ein Korrektiv, das sie auf Machtmissbrauch, Fehler, Fehlentscheidungen und andere Sichtweisen hinweisen durfte.

Brauchen wir mehr Hofnarren?

Hofnarren werden immer noch gebraucht. Eine Gefahr von Macht ist es nämlich, mit der Zeit kritikresistent zu werden, so dass das Umfeld es nicht mehr wagt, Meinungen vorzutragen, die unbequem oder konträr sind. Das führt dazu, dass Machtinhaber in einer Art „Bubble“ leben, in der sie den Blick auf die Realitäten verlieren können.

Wir brauchen daher Hofnarren, um dieses Risiko zu minimieren.

Hofnarren sind also auch heute in jedem Bereich der Gesellschaft und in jedem Unternehmen oder Team eine Bereicherung. Es lohnt sich folglich, bewusst Hofnarren ins Team zu holen und diese auch wertzuschätzen.

Welche Aufgaben nehmen Hofnarren in einem Team ein?

Genau wie im Mittelalter können Hofnarren in jedem Bereich der Gesellschaft wichtige Funktionen einnehmen:

  • Kluge Kritiker
  • Andersdenker und Impulsgeber
  • Menschen, die Risiken und Gefahren erkennen
  • Menschen, die unbequeme Tatsachen thematisieren

Hofnarr oder Querulant: Ein großer Unterschied

Hofnarren im oben genannten Sinne sind eine Bereicherung für ein Team, doch Querulanten können ein Team ausbremsen und die Arbeitsatmosphäre unerträglich gestalten. Wie erkenne ich den Unterschied zwischen Hofnarren und Querulanten?

Ein Querulant ist eine Person, die an allem etwas auszusetzen hat, sich wegen jeder Kleinigkeit beschwert und dabei hartnäckig auf ihr (vermeintliches) Recht pocht.

Der große Unterschied zwischen einem Hofnarren und einem Querulanten sind die jeweiligen Motive und Absichten. Dem Hofnarren geht es um das Aufdecken von Missständen, um Dinge zu verbessern und Fehler zu vermeiden. Ein Hofnarr ist unbequem, doch er möchte konstruktiv und positiv wirken.

Die Absichten eines Querulanten mögen unterschiedlich sein, doch sie sind überwiegend negativer Natur: Es kann zu einer Art „Petzen“ kommen, wobei es darum geht, persönliche Vorteile erlangen, zum Beispiel um Geld, Macht oder Privilegien zu erhalten. Dieses Verhalten basiert auf egoistischen Motiven. Manchmal steht beim Querulanten auch eine persönliche Vergeltung für ein angeblich oder tatsächlich erlittenes Unrecht im Vordergrund. Dem Verursacher soll dabei gezielt geschadet werden, nach dem Motto „wie du mir, so ich Dir“.

Wenn Sie also ein modernes Hofnarrentum fördern möchten, ist es wichtig, auf eine konstruktive Kommunikationskultur und einen wertschätzenden Umgang miteinander zu achten.

Wie stehen Sie zu „Hofnarren“ in Ihrem Team?

Finden Sie den Gedanken interessant, Hofnarren im Team zu haben? Dann beantworten Sie doch für sich folgende Fragen:

  • Haben Sie einen Hofnarren in Ihrem Team?
  • Wer übernimmt diese Funktion? Mit welchen Absichten? Mit welchen Verhaltensweisen?
  • Wo sehen Sie Grenzbereiche und Gefahren zwischen Hofnarren und Querulanten?
  • Wie stehen Sie und die anderen Teammitglieder zu Ihrem Hofnarren?
  • In welchen Situationen wird Ihr Hofnarr aktiv?
  • In welchen Situationen schweigt Ihr Hofnarr lieber?

Wie setzen Sie die Hofnarren-Funktion bewusst ein?

Sie haben konstruktive „Hofnarren“ in Ihrem Team? Dann können Sie sich glücklich schätzen. Pflegen Sie Ihre „Hofnarren“ und lassen Sie ihnen die notwendigen Freiheiten.

Sie haben niemanden, der diese Rolle übernimmt? Dann können Sie bewusst daran arbeiten, ein gesundes Hofnarrentum zu etablieren.

Wie geht das? Sie können ein Teammitglied gezielt mit der Funktion eines „Hofnarren“ für ein bestimmtes Projekt beauftragen. Der „Hofnarr“ darf und soll als Impulsgeber und Kritiker alles in Frage stellen. Es ist ausdrücklich erwünscht, dass er unbequem ist und die anderen Teammitglieder wissen um diese Rolle und respektieren diese auch.

Besonders kritische Geister im Team werden die Funktion gerne wahrnehmen, Ziel ist es jedoch, dass jeder einmal diese Funktion ausüben kann und darf.

Die Vorteile eines bewussten Hofnarrentums

  • Sie können gezielt steuern, dass es in jedem Projekt einen „Hofnarren“ gibt.
  • Nicht immer die gleichen Leute sind in der Funktion des Hofnarren, sondern jeder darf mal.
  • Niemand verliert sein Gesicht oder seinen Ruf.
  • Der „Hofnarr“ wird nach und nach zu einer allgemein akzeptierten und geschätzten Funktion im Team.

Führungskompetenzen im Umgang mit Hofnarren

Auch wenn Sie die Vorteile von Hofnarren zu schätzen wissen, ist es dennoch mitunter anstrengend, mit ihnen zusammenzuarbeiten.

Eine wichtige Voraussetzung im Umgang mit „Hofnarren“ ist eine gesunde Kritikkultur.

Kritikfähigkeit ist eine Sozialkompetenz, die nicht selbstverständlich ist und deren Erwerb oft schwerfällt. Es ist nicht einfach, Kritik einzustecken, schließlich wird dadurch unser Selbstwertgefühl in Frage gestellt. Manchen Menschen fällt es auch schwer, Kritik auszusprechen. Manche schweigen lieber, um andere nicht zu verletzten. Andere wiederum äußern Kritik in einer so vernichtenden Form, dass sie die Vertrauensbasis zu ihrem Gegenüber zerstören.

Wenn Sie mehr über Kritikfähigkeit lesen möchten, insbesondere wie Sie die aktive und passive Kritikfähigkeit verbessern können, finden Sie hier viele Tipps und Hintergründe.

Selbstreflexion als Ersatz für den „Hofnarren“

Fehlt Ihnen der „Hofnarr“ im Team oder ist der Themenbereich nicht geeignet, um einen „Hofnarren“ einzusetzen, dann ist es umso wichtiger, die fehlende Kritik von außen durch die Fähigkeit zur Selbstkritik auszugleichen.

Selbstkritik oder vielmehr Selbstreflexion ist das Nachdenken über sich selbst, das kritische Hinterfragen und Beurteilen des eigenen Denkens, der eigenen Standpunkte und Handlungen.

Selbstreflexion mit dem Unternehmertagebuch

Ein sinnvolles Instrument, um sich selbst immer wieder zu hinterfragen und aus seinen Erfolgen und Misserfolgen zu lernen, ist ein Unternehmertagebuch, in dem Sie sich die wichtigsten Ereignisse und Erkenntnisse in Stichpunkten notieren. Es kostet Sie nur 3 Minuten Zeit am Tag, aber auf Dauer werden Sie einen echten Schatz an Selbsterkenntnissen sammeln.

Viele Tipps zum Führen eines Unternehmertagebuchs finden Sie hier.

Selbstreflexion begleitet durch einen Coach

Ein weiteres Instrument der Selbstreflexion kann Coaching oder Mentoring sein. Ein Coach kann Führungskräfte dabei unterstützen, die eigenen Verhaltensweisen, Stärken und Schwächen zu überdenken, zu überprüfen und zu verändern. Der Blick von außen bringt neue Erkenntnisse und Einsichten. Wichtig ist, dass der Coach auch den Veränderungsprozess begleitet.

Fragen Sie im BEITRAINING-Netzwerk gerne an, wer für Sie als Coach oder Mentor in Frage kommen könnte.

Denken Sie daran:

„Der erste Grundsatz ist, dass du dich selbst nicht zum Narren halten darfst – und du bist der Mensch, den du am einfachsten täuschen kannst.“

Richard Feynman

Seminartipp: Moderne Führungskultur

Eine zeitgemäße, zukunftsorientierte Mitarbeiterführung ist ein zentraler Erfolgsfaktor für Unternehmen. Niemand ist als Führungskraft auf die Welt gekommen. Doch jeder kann seine Fähigkeiten in der Führung reflektieren und erweitern.

Zahlreiche Denkanstöße, Methoden und Führungskompetenzen erhalten Sie in den BEITRAINING Seminaren Erfolgreiche Mitarbeiterführung (LYT) und Praxisorientiertes Führen (QSL).

Bildquelle

Bild erstellt mit DALL·E

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