Erwartungsmanagement

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Erwartungsmanagement: Begeisterung statt Enttäuschungen

Erwartungsmanagement ist eine Methode, um die ausgesprochenen und unausgesprochenen Erwartungen anderer proaktiv zu steuern. So vermeiden wir Missverständnisse, Ärger, Enttäuschungen und Unzufriedenheit und sorgen für ein konstruktives und entspanntes Miteinander. Im Idealfall können wir die Erwartungen sogar übertreffen und lösen damit Begeisterung aus.

Was sind Erwartungen?

Erwartungen sind Vorstellungen, Annahmen oder Wünsche, die andere uns, unserer Firma oder unseren Produkten und Leistungen gegenüber hegen. Sie beziehen sich auf die Zukunft, also auf Leistungen oder Ereignisse, die noch bevorstehen.

Erwartungen liegen subjektive Überzeugungen und Annahmen zugrunde. Diese wiederum wurzeln in der Überlegung, wie man selbst in einer ähnlichen Situation handeln würde oder was man in der Vergangen erlebt und erfahren hat. Erwartungen sind also eine sehr persönliche und individuelle Angelegenheit.

Erwartungsmanagement umfasst auch unausgesprochene und unbewusste Erwartungen

Erwartungsmanagement ist schwierig, da viele Erwartungen nicht ausgesprochen werden. Menschen gehen oft stillschweigend davon aus, dass der andere schon weiß, was man will oder braucht.

Oft sind Menschen sich ihrer eigenen Erwartungen nicht einmal selbst bewusst. Erst im konkreten Fall, wenn die Leistung längst erbracht ist, stellen wir fest, dass wir nicht das bekommen haben, was wir uns vorgestellt haben. Dann rücken die unbewussten Erwartungen plötzlich ins Bewusstsein. Beim Kunden fallen vielleicht Sätze wie: „Ich hatte schon erwartet, dass das Produkt auch …. beinhaltet!“ Der verwunderte Verkäufer antwortet: „Das wusste ich nicht. Das war nicht im Angebot eingeschlossen.“ „Na ja, aber das ist doch selbstverständlich!“, antwortet der enttäuschte Kunde.

Dabei wird deutlich: Was für den einen selbstverständlich ist, ist für den anderen keineswegs klar. Wir setzen Dinge voraus und tauschen uns zu wenig über die Erwartungen aus, die an uns herangetragen werden und die wir selbst an andere stellen. Genau darin liegt die Falle, in die wir immer wieder hineintappen. Dies ist keineswegs nur in der Kundenkommunikation der Fall, sondern in den unterschiedlichsten Lebenssituationen. 

Erwartungsmanagement gibt es in allen Lebensbereichen

Marketing und Verkauf

Erwartungsmanagement ist in Marketing und Verkauf ein bekanntes Tool. Die Versuchung, im Verkaufsprozess mehr zu versprechen, als man halten kann, ist immer gegeben. Doch enttäuschte Erwartungen führen unweigerlich zu Unzufriedenheit und zum Verlust von Kunden. Umgekehrt sind Kunden, deren Erwartungen übererfüllt wurden, gerne bereit ein Unternehmen weiterzuempfehlen.

Projektmanagement

Erwartungsmanagement ist auch im Projektmanagement ein relevantes Thema. Nehmen wir zum Beispiel IT-Projekte. Jede Seite hat ein unterschiedliches Verständnis, abweichende Erwartungen, Sichtweisen und Interpretationen bezüglich einer Software. Auch die damit verbunden Ziele werden unterschiedlich gesehen. Insbesondere durch die Immaterialität von Leistungen ist Erwartungsmanagement eine Herausforderung. Projektleiter sollten daher die expliziten und impliziten Erwartungen frühzeitig erkennen und formulieren.

Personalarbeit und Rekrutierung

Erwartungsmanagement wird auch in der Mitarbeiterführung zunehmend zum zentralen Werkzeug. Sie kennen sicher die Situation, dass in Bewerbungsgesprächen gerne ein rosarotes Bild des Unternehmens gezeichnet wird. Mit dem ersten Arbeitstag beginnt für die neuen Teammitglieder mitunter eine Reihe von Enttäuschungen. Aus der Euphorie des Jobbeginns wird somit schnell Ernüchterung und Enttäuschung. Professionelles Onboarding und ein aktives Erwartungsmanagement helfen, solche Enttäuschungen zu vermeiden.

Interne Zusammenarbeit im Unternehmen

Wer erbringt welche Leistungen? Welche Erwartungen haben wir an andere Abteilungen oder Kollegen? Konflikte im Unternehmen entstehen, wenn Aufgaben und Schnittstellen nicht klar definiert sind und somit Abweichungen in den gegenseitigen Erwartungshaltungen entstehen. Hier gilt es, präventiv und proaktiv zu agieren, um Konflikte zu vermeiden.

Privatleben

Enttäuschte Erwartungen sind eine häufige Ursache von Beziehungskonflikten, Krisen, Trennungen und Kränkungen. „Du hättest ja auch mal helfen können.“ „Du hast nie gesagt, dass dir das wichtig ist.“ „Warum hast du das nicht früher gesagt?“ Solche Sätze kennt sicher jeder.

Erwartungsmanagement und Stakeholder-Management

In der Unternehmenswelt wird bei Erwartungsmanagement auch von Stakeholder-Management gesprochen. Mit dem Begriff „Stakeholder“ (auf Deutsch: Anspruchsgruppen) werden Personen, Gruppen oder Institutionen bezeichnet, die von den Aktivitäten eines Unternehmens direkt oder indirekt betroffen sind oder die ein Interesse an dessen Aktivitäten haben. Die Stakeholder haben unterschiedliche Erwartungen an das Unternehmen. Zu den Stakeholdern zählen Kunden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Handelspartner, Lieferanten, Kapitalgeber, Eigentümer, Politik, Verbände, aber auch die Öffentlichkeit am Standort des Unternehmens.

Stakeholder-Management bedeutet, die Anspruchsgruppen genau zu kennen und sie auch aktiv in die Kommunikationspolitik des Unternehmens einzubinden.

Wie funktioniert Erwartungsmanagement?

Nun möchten wir genauer analysieren, wie Erwartungsmanagement funktioniert. Dazu starten wir mit dem Vergleich zwischen den gehegten Erwartungen und den erbrachten Leistungen.

Erwartungsmanagement
Erwartungsmanagement

Das Schaubild verdeutlicht:

  • Sind die erbrachten Leistungen kleiner als die Erwartungen, kommt es zu Enttäuschung und Unzufriedenheit. Die Enttäuschung ist umso gravierender, je höher die Diskrepanz zwischen Erwartungen und Realität ist.
  • Entsprechen die erbrachten Leistungen den Erwartungen, stellt sich Zufriedenheit ein. Oft wird diese nicht geäußert oder wahrgenommen, denn man sieht es als Selbstverständlichkeit an, das bekommen zu haben, was man erwartet hat. Es kommt dann zu einer „Das war o.k.-Stimmung“.
  • Sind die Leistungen wertiger oder umfangreicher als das, was man erwartet hat, reagieren Menschen positiv überrascht oder sind sogar begeistert.

Ein Beispiel für Erwartungsmanagement

Sie erhalten von einem Kollegen die Auskunft, dass Sie eine angeforderte Aufstellung innerhalb von drei Tagen vorliegen haben. Erhalten Sie das gewünschte Dokument tatsächlich am dritten Tag, ist die Welt in Ordnung. Sie haben erhalten, was Ihnen versprochen wurde und werden sich höflich bedanken. Wenn sich jedoch nach vier Tagen nichts getan hat, denken Sie, der Kollege hat Sie vergessen und sind verärgert. Erhalten Sie die Aufstellung bereits nach zwei Tagen und dazu noch eine graphische Übersicht, sind Sie hoch erfreut und Ihr Kollege wird vielleicht ein dickes Lob ernten.

Erwartungsmanagement ist also die Kunst, den Zusammenhang zwischen Erwartungen und Leistungen zu erkennen und zu steuern.

6 Tipps zum Thema Erwartungsmanagement

Tipp 1: Klarheit schaffen

Machen Sie zunächst eine Bestandsaufnahme und verschaffen Sie sich Klarheit. Gehen Sie dabei in folgenden Schritten vor:

Schritt 1: Liste der Erwartungsträger

Listen Sie alle Ihre persönlichen „Stakeholder“ auf:

  • Kunden
  • Mitarbeiter
  • Kollegen
  • Vorgesetzte
  • Businesspartner
  • Ihr privates Umfeld
  • Gesellschaft

Schritt 2: Erwartungen pro Stakeholder-Gruppe sammeln

Nehmen Sie sich nun einen Stakeholder heraus. Sammeln Sie für diese Person bzw. Personengruppe alle Erwartungen, die an Sie herangetragen werden. Denken Sie sowohl an offen, ausgesprochene Erwartungen als auch an unausgesprochene oder unbewusste Erwartungen.

Schritt 3: Analyse von Erwartungen und Leistungen

Denken Sie nun kritisch über folgende Fragen nach:

  • Was wissen Sie wirklich?
  • Was vermuten Sie nur?
  • Worüber wurde gesprochen?
  • Worüber wurde noch nie gesprochen?
  • Welche Erwartungen können Sie realistischerweise erfüllen?
  • Welche Erwartungen sind nicht erfüllbar?
  • Wo gibt es Konflikte zwischen den Erwartungen einzelner Gruppen?
  • Wie könnte eine Priorisierung aussehen? 

Werden Sie sich klar, in welchen Punkten Sie mehr Informationen und mehr Klarheit brauchen.

Schritt 4: Gehen Sie proaktiv vor und führen Sie Gespräche

Machen Sie einen Plan für notwendige Gespräche und bereiten Sie sich gut darauf vor.

Die Schritte 2 bis 4 können Sie nach und nach für alle in Schritt 1 definierten Stakeholder-Gruppen durchführen.

Tipp 2: Aktive und regelmäßige Kommunikation

Kommunikation ist der Schlüssel für proaktives Erwartungsmanagement. Wir neigen dazu, zu knapp zu kommunizieren und gehen davon aus, dass der Gesprächspartner das gleiche Verständnis der Dinge hat wie wir.

Fragen Sie also in Ihren Gesprächen explizit nach: Welche Erwartungen haben Sie an mich/meine Leistungen/unsere Produkte/unsere Firma?

Fragen Sie so lange nach, bis Sie wirklich verstanden haben, wie diese konkret Erwartungen aussehen. Sprechen Sie dabei auch offen über Ihre eigenen Erwartungen. Je besser Sie und Ihre Gesprächspartner die gegenseitigen Erwartungen kennen, umso besser können beide Seiten darauf eingehen. Sie haben dann auch die Möglichkeit, frühzeitig anzuzeigen, dass Sie bestimmte Erwartungen nicht oder nur eingeschränkt erfüllen können.

Tipp 3: Aktives Zuhören: Sichern Sie sich ab

Wiederholen Sie und fassen Sie zusammen, was Sie verstanden haben. Sagen Sie zum Beispiel: „Ok, ich habe verstanden, Sie erwarten …. Ist das so richtig?“ So vermeiden Sie Missverständnisse. Denken Sie daran, dass Erwartungen oft unausgesprochen und unbewusst sind. Aktives Zuhören ist die Schlüsselkompetenz, um auch unausgesprochene Botschaften zu entschlüsseln.

Mehr zum Thema aktiven Zuhören lesen Sie hier.

Tipp 4: Schriftliche Vereinbarungen

Aus der IT-Welt kennen wir Lasten- und Pflichtenhefte, die genau regeln, welche Anforderungen und Erwartungen ein Kunde hat und welche Leistungen der Dienstleister folglich zu erbringen hat. Auch in anderen Bereichen gilt: Alles, was schriftlich festgelegt wurde, gibt Klarheit und Sicherheit.

Aus dem Projektmanagement stammt die Idee einer Ziele- und Nicht-Ziele-Liste. Nicht-Ziele zeigen, was genau nicht mehr Teil des Projektes ist und daher nicht erwartet werden kann. Diese Liste dient dem Erwartungsmanagement und sorgt für Transparenz. Durch die Formulierung von Nicht-Zielen werden so Missverständnisse bei den Erwartungen im Vorfeld vermieden. Diese Idee lässt sich in vielen Bereichen aufgreifen.

In der internen Zusammenarbeit geben Funktions- und Rollenbeschreibungen Transparenz und Sicherheit, denn Sie legen fest, welche Aufgaben und Ziele mit einer Funktion verbunden sind. Dies beugt Fehlern, Doppelarbeit, Ärger, Konflikten und Missverständnissen vor und bietet eine gemeinsame Basis für ein angenehmes Arbeitsklima.

Tipp 5: Weniger versprechen, mehr halten

Egal in welcher Lebenslage, widerstehen Sie der Versuchung, mehr zu versprechen, als Sie halten können. Machen Sie es lieber umgekehrt: Versprechen Sie weniger und bieten Sie mehr. Nutzen Sie solche Überraschungseffekte bewusst, um Menschen zu begeistern.

Tipp 6: Überprüfen Sie auch Ihre eigenen Erwartungen

Sind Sie schnell enttäuscht? Haben Sie manchmal zu hohe Erwartungen an sich selbst und an andere? Überdenken Sie Ihre Erwartungen und behalten Sie im Blick, dass Erwartungen eine subjektive Einschätzung sind.

Beide schaden sich selbst: Der, der zu viel verspricht und der, der zu viel erwartet.

Gotthold Ephraim Lessing

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Bildquelle Titelbild: Bild von gpointstudio auf Freepik

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