Die ideale Work-Life-Balance, also ein ausgeglichenes Berufs- und Privatleben, ist ein Thema, das alle bewegt. Jeder hat eine individuelle Vorstellung, wie diese Balance idealerweise aussehen sollte und was Priorität hat: Arbeit, Familie, Freizeit oder Ehrenamt. Jeden Tag verhandeln wir die Frage der Prioritäten neu mit uns selbst und wollen am liebsten alles unter einen Hut zu bringen.
Die ideale Balance fällt nicht vom Himmel – sie ist das Ergebnis bewusster Entscheidungen. Das gilt sowohl für Führungskräfte als auch für jedes einzelne Teammitglied. Wer sich im Gleichgewicht fühlt, ist zufriedener, resilienter und leistungsfähiger. Daher ist die Work-Life-Balance auch ein zentrales Führungsthema.
Sollte man als Führungskraft das Thema Work-Life-Balance offen ansprechen?
Viele Führungskräfte zögern dennoch, das Thema Work-Life-Balance in Mitarbeitergesprächen anzusprechen. Kann man offen über so ein persönliches Thema reden? Was wenn dabei unterschiedliche Positionen deutlich werden? Wir denken, der Mut zur Offenheit zahlt sich aus: Mehr Klarheit führt zu einem besseren Miteinander, stärkerer Mitarbeiterbindung und höherer Produktivität.
In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie als Führungskraft Gespräche über die Work-Life-Balance vertrauensvoll führen, Ihr Team individuell unterstützen und welche praxistauglichen Werkzeuge Ihnen dabei helfen.
Work-Life-Balance oder Life-Work-Balance? Zwei Grundhaltungen im Vergleich
Was steht an erster Stelle, Arbeit oder Berufsleben. Wir werden in diesem Beitrag die Begriffe „Work-Life-Balance“ und „Life-Work-Balance“ stellvertretend für zwei unterschiedliche Grundhaltungen.
Doch die wenigsten Menschen befinden sich an einem der Extreme – vielmehr bewegen sie sich irgendwo zwischen den Endpunkten der Waage. Werfen wir einen Blick auf beide Haltungen in ihrer reinen, abstrakten Form.

Work-Life-Balance: Arbeit hat Vorrang
Hier steht der Beruf an erster Stelle. Der Selbstwert und die Erfüllung werden daher stark über die Arbeit definiert. Private Interessen und Freizeitaktivitäten werden folglich der Karriere untergeordnet.
Life-Work-Balance: Freizeit hat Vorrang
Menschen mit dieser Haltung sehen Arbeit primär als Mittel zum Zweck – sie dient der Finanzierung des Privatlebens. Freizeit, Familie und Hobbys stehen also klar im Vordergrund.
Zahlen und Fakten: Was sagen Studien?
Laut einer aktuellen Studie von meinestadt.de und dem KOFA (Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung) am Institut der deutschen Wirtschaft gibt es klare Erkenntnisse zur Work-Life-Balance in Deutschland. Befragt wurden 3.052 Fachkräfte aus verschiedenen Branchen im Juni 2024. Demnach sind fast 80 Prozent der Befragten Familie und Partnerschaft sehr wichtig, fast 69 Prozent halten die Freizeit für sehr wichtig, aber nur 34 Prozent den Beruf. Das Ehrenamt ist hingegen nur 9 Prozent sehr wichtig.
Ist der Job auch eine Berufung? Mit 62,5 % gibt eine deutliche Mehrheit der befragten Fachkräfte an, dass der Beruf „nur ein Job“, aber keine Berufung sei. Doch ein differenzierter Blick auf das Alter der Befragten offenbart Unterschiede. Während der Beruf für die jüngeren Zielgruppen mehrheitlich als Mittel zum Zweck der Existenzsicherung gilt, ist bei den älteren Berufstätigen die Bedeutung und Zufriedenheit mit dem Beruf höher ist.
Auch laut einer im Januar 2024 in Österreich durchgeführten Umfrage mit 2.000 Teilnehmenden legen die jüngeren Generationen immer mehr Wert auf eine ausgeglichene Balance zwischen Beruf und Privatleben, während ältere Generationen oft noch eine traditionellere Haltung vertreten. So sagen 81 Prozent der Befragten aus der Generation Z (18- bis 25-Jährige) eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei für sie relevant, während bei den Baby-Boomern (58- bis 65-Jährige) nur bei 41 Prozent der Fall ist.
Es scheint sich also eine Verschiebung hin zur Life-Work-Balance anzukündigen, wobei wir explizit davon abraten möchten, diese Frage pauschal am Alter festzumachen. Zu individuell und persönlich ist diese Frage, um sie an einem einzelnen Faktor festzumachen. Mit Klischee und Vorurteilen kommen wir nicht weiter, vielmehr sollte eine ehrliche Diskussion im Vordergrund stehen.
Die Folgen der unterschiedlichen Haltungen
Die beiden Grundhaltungen spiegeln sich im Arbeitsalltag wider. Wer eine stark ausgeprägte Work-Life-Balance-Haltung hat, neigt dazu, Zusatzarbeit am Wochenende zu übernehmen, bleibt länger im Büro, besucht Weiterbildungen auch in der Freizeit und verschiebt private Termine zugunsten der Arbeit. Zudem fällt es solchen Personen oft schwer, den Übergang in den Ruhestand zu gestalten, da die Arbeit einen so zentralen Platz im Leben eingenommen hat. Urlaube werden meist so gelegt, dass sie möglichst firmenfreundlich sind.
Menschen, die hingegen eine Life-Work-Balance priorisieren, lehnen Zusatzarbeit am Wochenende ab und achten darauf, pünktlich Feierabend zu machen. Weiterbildungen werden nur während der Arbeitszeit wahrgenommen und private Termine haben klaren Vorrang vor beruflichen Verpflichtungen. Diese Haltung kann sich darin äußern, dass es schwerfällt, auf Freizeitaktivitäten zugunsten der Karriere zu verzichten. Urlaube werden nach persönlichen Vorlieben und nicht nach betrieblichen Notwendigkeiten geplant.
Selbstreflexion: Wo stehen Sie als Führungskraft bei der Work-Life-Balance?
Ihre eigene Haltung beeinflusst bewusst und unbewusst Ihre Erwartungen an Ihre Mitarbeitenden. Reflektieren Sie folgende Fragen:
- Wo stehen Sie auf der Work-Life-Balance? Wenn Sie ein Kreuz auf die oben gezeigte Waage machen sollten, wo läge es?
- Sind Sie zufrieden mit der Position, wo Sie das Kreuz gesetzt haben? Oder wünschen Sie sich eine Verschiebung? Wo wäre dann Ihre ideale Position?
- In welchen Situationen sind Sie von Mitarbeitenden enttäuscht, weil sie eine andere Position vertreten als Sie?
- Wie denken Sie über Teammitglieder, die sich anders verhalten, als Sie es erwarten?
- Kennen Sie die Work-Life-Balance-Präferenzen Ihrer Mitarbeitenden wirklich, oder vermuten Sie sie nur?
- Wie beeinflusst Ihre eigene Position auf dieser „Waage“ Ihre Führungsweise?
Die Position der Mitarbeitenden auf der Work-Life-Balance erkennen und verstehen
Führungskräfte profitieren davon, die unterschiedlichen Postionen ihrer Teammitglieder zu kennen und zu verstehen. Dies führt zu:
- Weniger Vorurteilen
- Besserer Zusammenarbeit
- Mehr Verständnis
- Höherer Produktivität
- Stärkerer Mitarbeiterbindung
- Weniger Fluktuation
Machen Sie sich daher bewusst, wo Ihre Teammitglieder auf der Skala stehen. Nutzen Sie dann Mitarbeitergespräche, um deren individuelle Prioritäten besser zu verstehen und eine passende Führungskultur zu etablieren.
Das Gespräch suchen: So führen Sie einen offenen Dialog
Um das Thema Work-Life-Balance erfolgreich in Mitarbeitergespräche zu integrieren, ist es daher wichtig, eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen. Ein guter Ausgangspunkt ist ein strukturierter Fragebogen. Nehmen Sie sich 60 bis 90 Minuten Zeit und wählen Sie passende Fragen, wie zum Beispiel:
- Wo sehen Sie sich auf der Waage?
- Wie empfinden Sie diese Position? Würden Sie gerne an einer anderen Stelle stehen? Wo wäre die ideale Position?
- Wie würden Sie Ihre eigene Work-Life-Balance beschreiben?
- Welche Faktoren beeinflussen Ihre Balance am meisten?
- Welche Maßnahmen könnte das Unternehmen ergreifen, damit Sie Ihre ideale Position finden?
- Was können Sie selbst tun, um sich an die für Sie ideale Position zu begeben?
Die Balance ist individuell – und Veränderung möglich
Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“ bei der Work-Life-Balance, sondern nur individuelle Präferenzen. Als Führungskraft können Sie Ihre Mitarbeitenden unterstützen, ihre eigene Balance zu finden – und dabei auch Ihre eigene reflektieren. Das führt langfristig zu zufriedeneren Teams, stärkerer Bindung und nachhaltigem Erfolg.
Denn die täglichen Entscheidungen Ihrer Teammitglieder werden dadurch erheblich beeinflusst und es geht darum, ihnen offen und vorurteilsfrei zu begegnen.
Die englische Schriftstellerin J. K. Rowling hat es so formuliert:
Viel mehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.
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