Sokratisches Verkaufen

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Sokratisches Verkaufen – Verkaufsfähigkeiten der Königsklasse

Sokratisches Verkaufen ist eine Verkaufsstrategie, die auf der Lehrmethode des griechischen Philosophen Sokrates basiert.

Sokrates‘ Ziel war es, Menschen durch gezielte Fragestellung zu selbständigem Denken und logischen Schlussfolgerungen zu führen. Er war der Meinung, dass jeder Mensch die Antworten auf die Fragen, die das Leben an ihn stellt, selbst in sich trägt. Er ist sich dessen nur nicht immer bewusst.

Sokratisches Verkaufen basiert auf diesem Grundgedanken. Dabei hilft der Verkäufer/die Verkäuferin dem Kunden, durch gezielte Fragen ein tieferes Verständnis für seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu entwickeln und kann ihn so nach und nach zu einer Kaufentscheidung hinführen.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Verkaufstechniken, die oft stark auf Präsentation und Überzeugung setzen, legt Sokratisches Verkaufen also den Schwerpunkt auf Dialog und Erkenntnis.

Der Kunde verkauft sich die Lösung selbst, weil er seine Bedürfnisse und Wünsche besser versteht und erkennt, dass die ihm angebotene Lösung diese erfüllt. Der Verkäufer oder die Verkäuferin ist dazu da, den Kunden in diesem Prozess zu unterstützen.

Bevor wir im Detail in den Sokratischen Verkaufsprozess einsteigen, noch etwas Hintergrundwissen.

Wer war Sokrates und wobei hilft uns seine Philosophie?

Der griechische Philosoph Sokrates lebte zwischen 469 und 399 v.Chr. in Athen. Er entwickelte die philosophische Methode eines strukturierten Dialogs. Diese Methode besteht aus einem dialogischen Vorgehen, bei dem durch gezielte Fragen die Annahmen und Überzeugungen des Gesprächspartners hinterfragt werden. Ziel ist es, Widersprüche aufzudecken und so zu tieferem Wissen und Selbsterkenntnis zu gelangen.

Sokrates stellte dabei die ethischen und moralischen Fragen in den Mittelpunkt seiner Philosophie. Er betonte die Bedeutung des Wissens für ein gutes Leben. Sein berühmtes Zitat „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ spiegelt seine Bescheidenheit in Bezug auf sein Wissen wider. Es weist uns auch darauf hin, stets im Zweifel zu sein über das, was wir vermeintlich wissen. Das gilt auch im Verkauf. Oft verlassen wir uns auf unsere Vermutung und glauben zu wissen, welche Bedürfnisse der Kunde hat. Doch wissen wir es wirklich?

Ein übergeordnetes Ziel war für Sokrates die Selbsterkenntnis. Das berühmte sokratische Diktum „Erkenne dich selbst“ drückt die Überzeugung aus, dass Selbsterkenntnis der Schlüssel zu ethischem Verhalten ist.

Sokrates war der Lehrer Platons, der wiederum der Lehrer Aristoteles‘ war. Diese drei Philosophen bilden die Grundlage der westlichen Philosophie.

Sokrates’ Bedeutung liegt nicht nur in seinen philosophischen Ideen, sondern in seiner praktischen Anwendung. Die sokratische Methode des Fragens und Hinterfragens lässt sich in vielen Lebensbereichen anwenden. Auf dieser Grundüberzeugung basiert übrigens auch Coaching, denn die Aufgabe des Coaches besteht darin, Menschen dazu hinzuführen, eigene Antworten zu entdecken. Auch bei der Mitarbeiterführung ist diese Haltung wertvoll, um Menschen zum selbstständigen Denken und Handeln zu führen.

In diesem Artikel wenden wir das sokratische Modell im Verkaufsprozess an.

Den Gesprächsverlauf kontrollieren und nicht dominieren

Es ist ein großer Unterschied, ob man ein Gespräch kontrolliert oder dominiert. Sokratisches Verkaufen bedeutet, den Gesprächsverlauf zu kontrollieren, aber gleichzeitig den Kunden die Beziehung und das Ziel des Prozesses bestimmen zu lassen.

Wenn Sie schon einmal geritten sind, wissen Sie, dass Sie ein Pferd nicht dominieren können. Es ist größer, stärker und schneller als jeder Mensch. Sie müssen die Kontrolle gewinnen, ohne dominieren zu wollen. Wenn Sie versuchen, ein Pferd zu dominieren, werden Sie mit großer Wahrscheinlichkeit auf dem Boden landen. Es muss eine Partnerschaft zwischen Mensch und Tier bestehen. Der stärkere Partner akzeptiert die Kontrolle des schwächeren Partners, da er ihm die Führung anvertraut. Um dieses Vertrauen zu gewinnen, brauchen Sie Geduld und gute Techniken.

So ist es auch beim Sokratischen Verkaufen.

Welche Fähigkeiten werden für Sokratisches Verkaufen benötigt?

  • Ein umfassendes Verständnis der Produkte oder Dienstleistungen, die Sie verkaufen, und auf welche Weise diese Probleme lösen und Kundenwünsche erfüllen.
  • Eine Fragetechnik, die es Ihnen ermöglicht, die Wünsche und Hoffnungen der Kunden aufzudecken.
  • Die nötige Geduld, damit der Prozess seinen Lauf nehmen kann und der Kunde die Gelegenheit bekommt, sich das Produkt mit Ihrer Hilfe selbst zu verkaufen.
  • Die Fähigkeit, den Prozess für alle Parteien erfolgreich abzuschließen – für den Kunden, für Ihr Unternehmen und für Sie selbst.

Sokratisches Verkaufen: Die 5 Schritte-Methode

Gehen wir in die praktische Umsetzung. In diesen 5 Schritten wird der sokratische Verkaufsprozess umgesetzt. Hier zunächst ein Überblick:

Lassen Sie uns die einzelnen Schritte nun im Detail anschauen.

1. Der Einstieg (Opening)

Die richtigen Worte zu Beginn des Verkaufsgesprächs ermöglichen es Ihnen, die Kontrolle über das Gespräch zu gewinnen und die Aufmerksamkeit des Kunden auf ein oder zwei bestimmte Vorteile zu lenken, welche ihm beim Kauf entstehen.

Stecken Sie den Rahmen des Gesprächs ab, indem Sie zum Beispiel sagen:
„Wenn ich Sie am Telefon richtig verstanden habe, möchten Sie gerne … (das Bedürfnis benennen). Im Verlaufe dieses Gesprächs möchte ich zeigen, was wir für Sie in Bezug auf …. (Bedürfnis) tun können.“

Stellen Sie dann Fragen, um die Bedeutung des Gesprächs zu unterstreichen und die Aufmerksamkeit zu erhalten. Zum Beispiel: „Wie wichtig ist … (Bedürfnis) für Sie? Was würde das für Sie bedeuten?“

2. Die Bedürfnisse aufdecken (Discovering)

Vielleicht hatten Sie bisher nur eine vage Idee von den Bedürfnissen des Kunden. Denken Sie an das Wort von Sokrates: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Nun geht es darum, diese Bedürfnisse herauszuarbeiten und dem Kunden bewusst zu machen.

Sie wollen in diesem Schritt also die echten Bedürfnisse, Wünsche, Sorgen, Probleme und Bedenken des Kunden aufdecken, so dass Sie in der Lage sind, seinen Standpunkt zu verstehen. Gute Fragetechniken helfen Ihnen dabei.

Nutzen Sie offene Fragen, um Informationen über die genauen Bedürfnisse zu erhalten, zum Beispiel:

  • Was ist Ihnen bei diesem Produkt besonders wichtig?
  • Welche Herausforderungen haben Sie derzeit?
  • Was ist das Problem, das Sie zu lösen versuchen?
  • Wie äußert sich das genau?
  • Wann taucht es auf?
  • Was sind die Folgen?
  • Welche Beispiele gibt es dafür?
  • Welchen Nutzen oder Vorteil versprechen Sie sich von der Lösung?
  • Was haben Sie schon unternommen, um das Problem zu lösen?
  • Wie beurteilen Sie die aktuellen Produkte/Dienstleistungen auf dem Markt?
  • Was hat Sie bisher davon abgehalten, eine Entscheidung zu treffen?
  • Was muss vorab noch erledigt werden?
  • Wann wollen Sie die Lösung umgesetzt haben?

Wenn Sie keine Informationen auf Ihre offenen Fragen hin erhalten, können Sie geschlossene Fragen stellen, um das Gespräch zu lenken. Damit bezeichnet man Fragen, auf die der Kunde nur mit Ja und Nein antworten muss. Gehen Sie sparsam damit um, um nicht manipulativ zu wirken. Nutzen Sie geschlossene Fragen gezielt, um Klarheit zu erhalten.

  • Ist das ein wichtiges Anliegen für Sie?
  • Stimmen Sie mir zu, dass …?
  • Angenommen, ich hätte eine Lösung für …, wäre das interessant für Sie?
  • Wollen wir fortfahren?

Tipp: Einen eigenen Blog-Artikel zum Thema Fragetechniken finden Sie hier.

3. Die Beziehung festigen (Bonding)

Wenn Sie die Beziehung festigen, verknüpfen Sie die Elemente Ihrer Produkte oder Dienstleistungen mit den Bedürfnissen Ihrer Kunden.

Das Ziel hierbei ist es, dass Sie Ihre Produkte und Ihre Lösungen so präsentieren, dass die Entscheidung zum Kauf die einzig logische Schlussfolgerung für den Kunden ist. Sie nehmen dazu stets den Blickwinkel des Kunden ein und stellen gezielte Fragen. Die richtige Anwendung dieser Fähigkeit wird es Ihnen nicht nur ermöglichen mehr Verkäufe zu tätigen, sondern auch Kunden langfristig an sich zu binden.

Die Anwendung erfolgt nach dem folgenden Prinzip:

  • Sie bestätigen zunächst das offenbarte Bedürfnis.
  • Sie bringen dann das Bedürfnis in Zusammenhang mit den Eigenschaften und dem Nutzen Ihres Produkts oder Ihrer Dienstleistung.
  • Dann bitten Sie um eine Bestätigung.

Sagen Sie zum Beispiel: „Sie haben mir erzählt, dass Sie … (Bedürfnis nennen) brauchen. Unser Produkt macht das, indem es …. (Eigenschaft des Produkts nennen). Das hat den Vorteil, dass Sie dadurch … (Nutzen nennen, z.B. Zeit sparen, Geld sparen, Sicherheit gewinnen, etc.) Erscheint Ihnen das sinnvoll?“

4. Den Wert der Entscheidung hervorheben (Confirming)

Sie unterstützen nun den Wert der von Ihnen angebotenen Lösung und unterstützen gleichzeitig den Schritt des Kunden in Richtung einer Entscheidung.

Im klassischen Verkaufsmodell wird dieser Schritt „Abschluss“ genannt. Dies verursacht allerdings häufig beim Kunden das Gefühl, manipuliert zu werden.

Im Sokratischen Verkaufsmodell verstehen wir diesen Schritt als den Anfang einer Kundenbeziehung oder zumindest als Bestätigung des Status der Beziehung, wenn es sich um eine komplexe Situation handelt.

Wir versuchen nicht, den Kunden „abzuschließen“. Wir versuchen, ihn dazu zu bringen, von sich aus nach den Dingen zu streben, die seine Bedürfnisse befriedigen und seine Probleme lösen.

Deshalb sprechen wir von einer Bestätigung (Confirming). Dabei werden die Beziehung, der Nutzen oder die Entscheidung zu handeln bestätigt.

Wie sieht die Umsetzung aus?

  • Fassen Sie zunächst die wichtigsten Vorteile, die Sie bis zu diesem Zeitpunkt herausgearbeitet haben, zusammen.
  • Fordern Sie dann den Kunden zu einer Aktivität auf, die auf der Entscheidung weiterzumachen, also zu kaufen, zu unterschreiben, zu zahlen, einen weiteren Termin zu vereinbaren, usw., basiert.

Reagiert Ihr Kunde noch skeptisch, brauchen Sie Fragen, um den Kunden zum Nachdenken zu bringen und um die Hürden, die der Entscheidung noch im Weg stehen, zu erkennen.

Fragen Sie zum Beispiel:

  • Gibt es noch etwas, das Sie davon abhält, eine Entscheidung zu treffen?
  • Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, welche langfristigen Vorteile diese Lösung bietet?
  • Welche Vorteile sehen Sie in dieser Lösung im Vergleich zu anderen?
  • Welche Nachteile hätte die Lösung?
  • Was sollten wir dazu noch überdenken?
  • Was könnte passieren, wenn Sie keine Entscheidung treffen?

5. Den Nutzen belegen (Documenting)

Indem Sie den Nutzen belegen, beweisen Sie den Vorteil Ihres Produkts oder Ihrer Dienstleistung, wann immer der Kunde skeptisch ist und an Ihren Aussagen zweifelt.

Diese Fähigkeit erlaubt es Ihnen, Konflikte auszuräumen, die entstehen können, wenn der Kunde Ihnen nicht glaubt. Sie beweisen dem Kunden, dass Ihre Behauptung über den Nutzen einer der Produkteigenschaften der Wahrheit entspricht.

Wie geht das in der Praxis?

Um den Nutzen zu belegen, lenken Sie die Aufmerksamkeit des Kunden zunächst zurück zum Wesentlichen.

Durch ‚Wenn’-Fragen können Sie den Kunden zum eigentlichen Problem zurückführen, ohne einen Konflikt zu verursachen.

Fragen Sie zum Beispiel: „Wenn das Produkt Ihnen … bringen würde, wäre das in Ihrem Sinne?“

Wenn der Kunde dennoch weiterhin zweifelt, brauchen Sie offene Fragen zum Aufdecken der Zweifel. Stellen Sie weitere Fragen wie beispielsweise:

  • Gibt es einen Grund, warum Sie glauben, dass das nicht funktioniert?
  • Warum bezweifeln Sie, dass das wahr ist?
  • Können Sie mir sagen, warum Sie daran zweifeln?
  • Ihr Blick ist skeptisch. Was lässt Sie zweifeln?

Wenn Sie den Grund der Zweifel erkannt haben, brauchen Sie Beweise.

Geben Sie Ihrem Kunden diese Beweise. Lassen Sie ihn zum Beispiel das Produkt testen und ausprobieren, zeigen Sie Referenzen oder lassen Sie ihn mit anderen Kunden sprechen. Betonen Sie an dieser Stelle erneut den Nutzen, der sich aus dem Kauf ergibt. Lassen Sie sich Zeit, alle Fragen und Einwände gewissenhaft auszuräumen.

Erst danach können Sie um Bestätigung bitten und den Verkauf abschließen:

Dieser Schritt funktioniert ähnlich wie die Einwandbehandlung. Mehr Informationen dazu finden Sie hier.

Welche Vorteile bringt Sokratisches Verkaufen?

  • Kundenorientierung: Diese Methode stellt den Kunden und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt.
  • Langfristige Beziehungen: Durch den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung werden langfristige Kundenbeziehungen gefördert.
  • Tiefere Einsichten: Durch das Stellen von Fragen gewinnt der Verkäufer tiefere Einblicke in die Situation des Kunden, was zu besseren und maßgeschneiderten Lösungen führt.
  • Selbsterkenntnis des Kunden: Der Kunde erkennt selbst die Vorteile der Lösung, was die Wahrscheinlichkeit eines Verkaufsabschlusses erhöht.

Das Sokratische Verkaufen ist somit eine effektive Methode, um Kunden nicht nur zu gewinnen, sondern auch langfristig zu binden, indem ihre Bedürfnisse und Wünsche ernst genommen und in den Mittelpunkt des Verkaufsprozesses gestellt werden.

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Bildquellen

Graphiken: BEITRAINING

Titelfoto: Bild von wayhomestudio auf Freepik

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