Große oder kleine Führungsspanne – was passt zu Ihnen?

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Große oder kleine Führungsspanne – was passt zu Ihnen?

Die Anzahl der direkt geführten Mitarbeitenden einer Führungskraft bezeichnet man als Führungsspanne.

Zunehmend flachere Hierarchien, agile Strukturen und der Wunsch nach mehr Eigenverantwortung für die Mitarbeitenden sprechen für einen Trend in Richtung einer größeren Führungsspanne.

Doch eine kleine Führungsspanne ist insbesondere in Situationen, in denen eine individuelle Förderung, enge Kommunikation oder hohe Mitarbeiterbindung gefragt sind, vorteilhaft.

Kurzum: Es gibt keine universelle Lösung – die optimale Führungsspanne hängt von verschiedenen Faktoren ab, die wir in diesem Beitrag beleuchten. Finden Sie heraus, welche Führungsspanne für Ihr Umfeld optimal ist, damit sowohl Effizienz als auch individuelle Förderung sichergestellt sind.

Was ist die Führungsspanne?

Die Führungsspanne bezeichnet die Anzahl der Mitarbeitenden, die einer Führungskraft direkt unterstellt sind. Sie gibt also an, wie viele Personen eine Führungskraft unmittelbar betreut, koordiniert und führt.

Die Führungsspanne beeinflusst die Effizienz, den Kommunikationsaufwand und die Führungsqualität in einer Organisation. Andere Begriffe sind auch Leitungsspanne oder hierarchische Spannweite.

Von welchen Faktoren hängt die ideale Führungsspanne ab?

Auf der Suche nach einer magischen Zahl für die ideale Führungsspanne gibt es keine einfachen Antworten. Wie groß die Zahl der Mitarbeitenden sein darf, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dazu zählen:

Komplexität der Aufgaben

Je komplexer und individueller die Aufgaben der Mitarbeitenden sind, desto geringer sollte die Führungsspanne sein, damit die Führungskraft genügend Zeit für Unterstützung und Feedback hat. Da in vielen Unternehmen die Aufgaben komplexer, vielschichtiger und schnelllebiger sind, ist dieser Faktor nicht zu unterschätzen.

Standardisierbarkeit

Je standardmäßiger und ähnlicher hingegen die Aufgaben sind, die die Mitarbeitenden zu bewältigen haben, je weniger Einarbeitung und Training dafür notwendig sind, desto höher kann die Führungsspanne sein.

Koordinationsaufwand

Auch der Koordinationsaufwand, der notwendig ist, um die Aktivitäten der Teammitglieder innerhalb und außerhalb des Teams zu steuern, spielt bei der Führungsspanne eine Rolle.

Wenn zum Beispiel ein Team von Softwareentwicklern an einem komplexen IT-Projekt arbeitet, muss eine Führungskraft häufiger vermitteln, technische Herausforderungen lösen und die Zusammenarbeit zwischen den Entwicklern und anderen Abteilungen (z. B. UX-Design, Testing, Produktmanagement) steuern. Dann ist eine kleine Führungsspanne sinnvoll, um intensive Koordination und Unterstützung sicherzustellen.

Bei einem Team von Außendienstmitarbeitenden hingegen, das für den Verkauf in verschiedenen Regionen verantwortlich ist, arbeitet jeder Mitarbeitende weitgehend eigenständig, besucht Kunden, erstellt Angebote und steuert seine eigenen Verkaufsaktivitäten. Die Führungskraft muss zwar Ziele vorgeben und regelmäßig Feedback geben, aber der tägliche Koordinationsaufwand zwischen den Teammitgliedern ist gering. Hier kann eine größere Führungsspanne effizient sein, da weniger Koordination erforderlich ist.

Qualifikation und Selbstständigkeit der Mitarbeitenden

Die Zusammensetzung des Teams beeinflusst die Führungsspanne erheblich. Neue Mitarbeitende benötigen mehr Einarbeitung, Anleitung und Unterstützung. In Teams mit selbstständig arbeitenden, erfahrenen Mitarbeitenden kann eine größere Führungsspanne gut funktionieren, da diese weniger direkte Anleitung benötigen. Doch auch hochqualifizierte, erfahrene Mitarbeitende können mitunter eine intensivere Führung benötigen, wenn ihr Aufgabengebiet eine hohe Komplexität aufweist.

Qualifikation, Aufgabenbereich und Erfahrung der Führungskraft

Eine Führungskraft, die eine Führungsfunktion neu übernimmt, braucht noch mehr Zeit, um in die Rolle hineinzuwachsen. Eine kleine Führungsspanne gibt ihr den notwendigen Spielraum dafür. Doch nicht nur die Führungserfahrung der Führungskraft spielt bei der Führungsspanne eine Rolle, auch das Verhältnis zwischen Führungsaufgaben und operativen Aufgaben. Hat die Führungskraft also viele operative Aufgaben zu bewältigen, darf ihre Führungsspanne nicht zu stark anwachsen, um eine Überlastung zu vermeiden.

Tipps für den Übergang von der Fach- zur Führungskraft finden Sie hier.

Organisationsstruktur

Jedes Unternehmen hat gewachsene Organisationsstrukturen. Flache Hierarchien fördern in der Regel größere Führungsspannen, während hierarchische Strukturen oft kleinere Führungsspannen aufweisen.

Unterstützung durch Stabstellen und Technologien

Bekommt die Führungskraft viel Unterstützung durch Stabsstellen, wie z.B. durch die Personalabteilung bei der Rekrutierung und Einarbeitung, vergrößert das die mögliche   Führungsspanne. Weiterhin helfen Tools für Kommunikation oder Projektmanagement, eine größere Anzahl an Mitarbeitenden effektiv zu führen.

Gibt es Richtwerte für die ideale Führungsspanne?

Die Frage nach der idealen Führungsspanne ist uralt. Bei den Ägyptern und in der Antike stand beispielsweise die Zahl 10 für die optimale Zahl der Untergebenen in militärischen Einheiten. Dieser Wert ist noch heute ein Schwellenwert. Verfolgt man die moderne, betriebswirtschaftliche Literatur, findet man als groben Richtwert eine ideale Führungsspanne von 5 bis 9 Mitarbeitenden. Chester Barnard, ein Vordenker moderner Organisations- und Führungsforschung sah das Maximum bei 15 Personen.

Heute ist sich die Forschung einig, dass es eine magische Zahl nicht geben kann, sondern dass eine pragmatische Herangehensweise unter Berücksichtigung der oben genannten Faktoren erforderlich ist.

Dabei sollte man die Vor- und Nachteile, die große, bzw. kleine Führungsspannen mit sich bringen, in Betracht ziehen.

Vorteile einer kleinen Führungsspanne

Eine kleine Führungsspanne eignet sich besonders gut für Teams, die intensive Führung und eine enge Abstimmung benötigen. Sie ist ideal für komplexe oder kreative Arbeitsbereiche sowie für die Entwicklung von Nachwuchsführungskräften. Insbesondere ergeben sich folgende Vorteile:

Mehr Zeit für individuelle Betreuung

Führungskräfte können intensiver auf die Bedürfnisse und Herausforderungen einzelner Mitarbeitender eingehen. Individuelles Coaching, Mentoring und gezielte Förderung mit regelmäßigen Mitarbeitergesprächen sind somit leichter umsetzbar.

Höhere Qualität der Führung und Bindung

Die Führungskraft kann sich stärker mit den Stärken und Schwächen jedes Teammitglieds auseinandersetzen. sie kann somit Unzufriedenheiten und Probleme frühzeitig erkennen und gezielt lösen. Mitarbeitende fühlen sich dadurch stärker wahrgenommen und wertgeschätzt. Persönliche Anerkennung und Unterstützung fördern Engagement und Loyalität.

Schnellere Entscheidungsfindung im Team

Der Zugang zu der Führungskraft ist einfach und unkompliziert. Entscheidungen können fundierter und mit mehr Aufmerksamkeit für Details getroffen werden.

Höhere Flexibilität und Agilität

Veränderungen können schneller umgesetzt werden, da die Führungskraft direkter steuern kann. Besonders in dynamischen oder kreativen Arbeitsumfeldern kann dies ein Vorteil sein.

Herausforderungen einer kleinen Führungsspanne

Eine kleine Führungsspanne hat viele Vorteile, bringt aber auch einige Nachteile mit sich, insbesondere in Bezug auf Effizienz und Ressourcenverteilung.

Hohe Personalkosten

Da jede Führungskraft nur wenige Mitarbeitende betreut, werden mehr Führungskräfte benötigt. Dies kann die Personalkosten erhöhen und zu einer aufgeblähten Hierarchie führen.

Wenig Eigenverantwortung durch zu enge Führung

Weiterhin besteht die Gefahr von Mikromanagement. Führungskräfte mit wenigen Mitarbeitenden neigen eher dazu, sich zu stark in operative Details einzumischen.

Dies kann die Eigenverantwortung und Selbstständigkeit der Mitarbeitenden einschränken. Mitarbeitende könnten sich zu stark auf die Führungskraft verlassen, anstatt eigenständig Lösungen zu finden.

Langsamere Entscheidungsprozesse über Hierarchieebenen hinweg

In Organisationen mit vielen Führungsebenen müssen Entscheidungen oft mehrere Stufen durchlaufen. Dies kann Prozesse verlangsamen und zu bürokratischen Hürden führen.

Gefahr von Silodenken

Eine kleine Führungsspanne kann den Austausch zwischen verschiedenen Teams und Abteilungen erschweren. Mitarbeitende haben dann weniger Gelegenheiten, voneinander zu lernen oder selbst Verantwortung für größere Projekte zu übernehmen.

Mehr zum Thema Silodenken und wie es sich durchbrechen lässt, lesen Sie hier.

3 Tipps für Führungskräfte mit einer kleinen Führungsspanne

Tipp Nummer 1: Vermeiden Sie Überbetreuung
Bei einer kleinen Führungsspanne besteht die Gefahr, dass Sie zu stark in die tägliche Arbeit der Mitarbeitenden eingreifen. Verlassen Sie sich auf deren Fähigkeiten und fördern Sie deren Eigeninitiative.

Tipp Nummer 2: Nutzen Sie die Nähe als Chance für eine moderne Führungskultur
Eine kleinere Führungsspanne erlaubt intensiveren Kontakt. Nutzen Sie dies daher bewusst, um die individuellen Bedürfnisse und Ziele der Mitarbeitenden besser zu verstehen und gezielt zu fördern. Zahlreiche Tipps für eine moderne Führungskultur finden Sie hier.

Tipp Nummer 3: Langfristige Entwicklung fördern
Investieren Sie mehr Zeit in strategische Planung und die Entwicklung Ihrer Mitarbeitenden, um diese für künftige Führungs- oder Schlüsselpositionen zu qualifizieren.

Vorteile einer großen Führungsspanne

Eine große Führungsspanne bietet klare Vorteile in Bezug auf Effizienz, flachere Hierarchien und Eigenverantwortung.

Höhere Kosteneffizienz

Weniger Führungskräfte bedeuten niedrigere Personalkosten. Die Organisation wird schlanker und wirtschaftlicher.

Flachere Hierarchien und mehr Agilität

Weniger Führungsebenen ermöglichen schnellere Entscheidungsprozesse zwischen den Ebenen.

Mehr Eigenverantwortung der Mitarbeitenden

Mitarbeitende müssen selbstständiger arbeiten, was ihre Kompetenz und Motivation steigern kann. Eigenverantwortung wiederum fördert Kreativität und Innovation.

Herausforderungen einer großen Führungsspanne

Wenig Zeit für individuelle Betreuung – Geringere Bindung

Die Führungskraft hat weniger Kapazität für persönliches Coaching und Feedback. Mitarbeitende mit höherem Unterstützungsbedarf könnten dadurch vernachlässigt werden. Studien sagen, je mehr Mitarbeitende ein Manager führt, umso schlechter ist die Bewertung des Vorgesetzten durch die Mitarbeitenden. Dies hat wiederum einen negativen Einfluss auf die Zufriedenheit und Bindung der Mitarbeitenden.

Höhere Belastung der Führungskraft

Mehr Mitarbeitende bedeuten mehr Verantwortungsbereiche und organisatorische Aufgaben. Die Gefahr der Überlastung und ineffektiver Führung steigt somit.

Kommunikationsprobleme & Informationsverluste

Je größer das Team, desto schwieriger wird es, alle auf dem gleichen Informationsstand zu halten. Entscheidungen oder Anweisungen könnten verzögert oder falsch interpretiert werden.

4 Tipps für Führungskräfte mit einer großen Führungsspanne

Tipp Nummer 1: Effiziente Kommunikationskanäle entwickeln
Nutzen Sie klare und strukturierte Kommunikationskanäle, um den Austausch zu vereinfachen. Regelmäßige Teammeetings und digitale Tools können helfen, die Übersicht zu behalten.

Tipp Nummer 2: Priorisierung auf strategische Aufgaben
Setzen Sie Prioritäten bei Ihren Führungsaufgaben. Konzentrieren Sie sich besonders auf strategische Themen und überlassen Sie dafür operative Details den Teammitgliedern.

Tipp Nummer 3: Kompetenzentwicklung in Richtung Eigenständigkeit
Fördern Sie besonders in großen Teams die Kompetenz Ihrer Mitarbeitenden, damit diese eigenständiger arbeiten können. Dies entlastet Sie dann langfristig.

Tipp Nummer 4: Feedbackprozesse strukturieren
Sorgen Sie für regelmäßige Feedbackschleifen, auch wenn die Führungsspanne groß ist. Dies stärkt die Bindung und hilft, potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen.

Gibt es einen Trend bei der Führungsspanne?

Der allgemeine Trend geht eher in Richtung größerer Führungsspannen, da Unternehmen zunehmend auf flachere Hierarchien, agile Strukturen und mehr Eigenverantwortung der Mitarbeitenden setzen. Kollaborationssoftware, Projektmanagement-Tools und KI-gestützte Assistenzsysteme erleichtern das Führen größerer Teams. Führungskräfte sollen sich stärker auf strategische Aufgaben konzentrieren, anstatt nur operative Steuerung zu übernehmen.

In bestimmten Bereichen und Branchen gibt es weiterhin den Trend zu kleineren Führungsspannen, insbesondere wenn Mitarbeitende individuell gefördert werden sollen, z. B. in kreativen oder wissensintensiven Berufen oder in einer Unternehmenskultur, die auf persönliche Führung setzt, wie etwa in familiengeführten Unternehmen oder Start-ups mit starkem Fokus auf Teamentwicklung.

Wie kann ich meine ideale Führungsspanne finden?

Die ideale Führungsspanne ist also individuell und hängt von mehreren Faktoren ab. Führungskräfte sollten sich folgende Fragen stellen, um herauszufinden, welche Führungsspanne für sie persönlich optimal ist:

1. Wie selbstständig sind meine Mitarbeitenden?

Arbeiten sie eigenverantwortlich und brauchen wenig Anleitung, ist eine größere Führungsspanne möglich. Benötigen sie viel Unterstützung und häufiges Feedback, ist dagegen eine kleinere Führungsspanne sinnvoll.

2. Wie komplex sind die Aufgaben meines Teams?

Standardisierte, routinierte Abläufe lassen eine größere Führungsspanne zu, hochkomplexe, individuelle oder kreative Aufgaben hingegen erfordern eine kleine Führungsspanne.

3. Wie viel Zeit habe ich für direkte Führung?

Brauchen Sie viel Zeit für Einzelgespräche, Coaching und Problemlösungen, ist eine kleinere Führungsspanne unerlässlich. Auch wenn Ihr Arbeitsalltag stark von operativen Aufgaben geprägt ist, ist eine kleinere Führungsspanne sinnvoll.

4. Welche Unterstützungssysteme habe ich?

Eine große Führungsspanne funktioniert besser, wenn die Führungskraft gut delegieren und digitale Hilfsmittel nutzen kann.

5. Wie ist meine persönliche Führungsweise?

Bevorzugen Sie eine eher strategische, delegierende Führung, ist eine größere Führungsspanne geeignet. Möchten Sie jedoch lieber eng mit jedem Mitarbeitenden zusammenarbeiten, passt eine kleinere Führungsspanne besser.

Vielleicht kann Ihnen bei diesem Balanceakt das folgende Zitat Orientierung geben:

„Menschenführung ist an die Hand nehmen, ohne festzuhalten und loslassen, ohne fallen zu lassen.“

Wilma Thomalla, Publizistin

Unser Tipp zum Thema Führungsspanne

Führungskräfte sollten sich regelmäßig reflektieren und ihre Führungsspanne anpassen, wenn sie merken, dass sie überlastet sind oder ihr Team nicht optimal unterstützt wird.

Als Partner in der Personalentwicklung können wir von BEITRAINING Ihnen unsere Unterstützung anbieten, um Ihren Führungsstil zu entdecken und bei den Überlegungen für die Bestimmung der idealen Führungsspanne einzubeziehen.

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Sprechen Sie uns an, wir beraten Sie gerne!

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Lesetipp: Das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. liefert weiteres, aktuelles Hintergrundmaterial zum Thema Führungsspannen.

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